1610 02 - Kinder des Hermes
rechtzeitig Nachricht von meinem Mann bekommen habe. Das Schiff kennen wir jedoch: Es ist die Santa Juana, mit der die Jesuiten nach England gekommen sind. Ich nehme an, ihr Kapitän war nur allzu froh darüber, England endlich verlassen zu können.«
»Sie segeln nach Spanien oder Portugal«, sagte ich und hakte die Daumen in meinen Gürtel, um nicht weiter instinktiv nach meinem Rapier und meinem Dolch zu tasten, die man mir selbstverständlich abgenommen hatte. »Messire, wir …«
»Nach Portugal – Lissabon, um genau zu sein.« In Cecils dunklen Augen spiegelte sich das Licht, das durch das Westfenster hereinfiel. Gedankenverloren hob er die Hand und massierte sich die Nackenmuskeln.
Aber da ist noch mehr. Nur was?
»Woher wissen wir denn, dass sie nach Portugal fahren?«, erkundigte ich mich in ruhigem Ton. »Was wisst Ihr sonst noch, Mylord?«
»Es waren zwei Männer, die an Bord der Santa Juana gegangen sind.« Robert Cecil kratzte mit seinem Stock im Stroh und warf einen raschen Blick zu mir. »Wisst Ihr, wer der andere war, Monsieur?«
Ich schüttelte den Kopf. »Ein Mann der Königin? Mylord, ich weiß es nicht.«
Er glaubte mir, so viel war klar. Er fuhr weiter mit dem Stock durch das Stroh. Ich ballte die Fäuste hinter dem Rücken und tat mein Bestes, nicht die Geduld zu verlieren. Er überlegt, ob er es mir sagen soll oder nicht …
»Es war Master Tanaka Saburo«, sagte Cecil.
Ich starrte ihn an.
»Mit Fludd?« Ich glaubte wirklich, mich verhört zu haben. »Saburo an Bord eines Schiffes mit Robert Fludd?«
»Es ist wohl äußerst unwahrscheinlich, dass diese spezielle Beschreibung falsch sein könnte.«
»Aber …« Ich schüttelte den Kopf.
»Am Haus hat man eine tote Wache gefunden, als ich gerade in Greenwich beschäftigt war und Madame di Medici Ihre Majestät Königin Anne besucht hat. Niemand sonst im Haus hat irgendetwas bemerkt, bis sie den Toten gefunden haben. Doktor Fludd scheint einfach aus seinem Gefängnis herausspaziert zu sein.«
Eine Sekunde lang hätte ich fast an Fludds Nekromantie glauben können.
Der Samurai, dachte ich.
Shinobi-no-mono , hatte Saburo mich einmal genannt. ›Mörder-im-Geheimen‹. Und ich war töricht genug gewesen, stolz auf diesen üblen Titel zu sein. Deshalb hatte ich Saburo auch nicht gefragt, was für eine Art von Männern bei seinem Volk über solche Fähigkeiten verfügte.
»Ist bekannt, warum Saburo das getan hat?«
»Das weiß niemand. Nein.« Cecil hielt die eleganten, langen weißen Finger hoch. »Tanaka Saburo hat keine Nachricht hinterlassen. Er hat mit niemandem gesprochen. Ich neige dazu zu vermuten, dass Master Saburo bei seinem ersten Besuch bei Prinz Heinrich in Whitehall mit Doktor Fludd gesprochen hat. Später hat er diese Tatsache dann verheimlicht – wie auch Doktor Fludd.«
Ich durchbrach das darauffolgende Schweigen mit den Worten: »Deshalb also Lissabon. Von Portugal aus segeln Schiffe nach Japan. Fludd geht … Saburo nimmt ihn …«
»Er nimmt ihn mit, ja, Monsieur. Nach Hause. Ich hatte gehofft, Ihr hättet etwas darüber gewusst.« Cecils schwarze Augen funkelten. »Ich bin bereit, Euch einem Verhör zu unterziehen.«
Gedankenverloren nickte ich. Falls Cecil irgendetwas überzeugte, dann das. Ein solches Maß an Ignoranz ist zwar nicht unmöglich vorzutäuschen, aber doch unglaublich schwer. Ich starrte weiter auf den kleinen Engländer hinunter.
»Monsieur Saburo hat mit Fludd gesprochen …« Noch immer benommen versuchte ich, den Gedanken zu verarbeiten. »Während Saburo König James wieder auf den Thron gesetzt hat … Warum? Hätte Fludd beschlossen, Monsieur Saburo umzubringen, hätte ich das verstanden; aber mit ihm zu sprechen, mit ihm zu verhandeln … Weshalb, um Himmels willen?«
»Um das herauszufinden, würde ich Euch verhören wie auch jeden anderen, der mit Master Saburo bekannt war.«
Neben der offensichtlichen Drohung verbarg sich noch irgendetwas anderes in seiner Stimme. Ich trat einen Schritt auf ihn zu. Im trüben Licht des Spätnachmittags ragte ich über ihm auf. Der kleine Mann zuckte noch nicht einmal. Ich erkannte es an seinem Blick. Ein Mann wird rasch zu einer Schlussfolgerung getrieben, wenn er selbst in etwas verstrickt ist.
»Mademoiselle Dariole«, sagte ich. »Deshalb habt Ihr sie zu sehen verlangt: um sie zu verhören. Warum?«
Cecil hob das Kinn und schaute mir ins Gesicht. »Nein, Monsieur. Die junge Dame ist nicht verhört worden. Ich habe mit ihr gesprochen und sie
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