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1610 03 - Soehne der Zeit

1610 03 - Soehne der Zeit

Titel: 1610 03 - Soehne der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Gentle
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Jahresende auswachsen würde.
    Kalter Schweiß der Erleichterung lief mir über den Rücken.
    Der Spätsommer ging in den Herbst über, und ich hörte nichts von ihr.
    Gabriel murmelte von Zeit zu Zeit vor sich hin, aber vor allem hielt er Doktor Fludd und andere Kleinigkeiten von mir fern.
    Anfang Oktober ritt ich nach Richmond.
    Ich griff über die Randbegrenzung des Tennisplatzes und schnappte mir ein sauberes Hemd.
    Nagasaki, dachte ich.
    Ich vermisste die Badehäuser von Nagasaki, wo man den bizarren Brauch pflegte, sich vor dem Bad abzuschrubben. Vor allem vermisste ich das heiße, saubere Wasser und die Hitze, die einen bis in die Knochen durchdrang.
    Aber die Kälte, die ich empfand, kam nicht vom Fleisch.
    Es dauerte nicht lange, mein Wams aufzuknöpfen und das schweißdurchtränkte Hemd auszuziehen. Ein sauberes Hemd stellt zwar keinen vollwertigen Ersatz für ein heißes Bad da, es ist aber dennoch angenehm auf der Haut. Ich zog mir das Leinenhemd über den Kopf.
    »Das ist schon seltsam, was Ihr da macht«, bemerkte eine Stimme neben mir.
    Ich schob meine Arme durch die Ärmel und zog das Hemd herunter, sodass ich sehen konnte, wer da gesprochen hatte.
    Heinrich, Prinz of Wales, stand vor mir, während ich auf der Bank saß. Seit ich ihn in Wookey zum letzten Mal gesehen hatte, war er gut eine halbe Handspanne gewachsen. Ich stand auf und verneigte mich. Dann steckte ich das Hemd in die Hose, schüttelte mein Wams aus und zog es wieder an.
    Mit achtzehn ist er nun ein Jüngling, kein Junge mehr.
    Heinrich Stuarts Haar war beträchtlich gewachsen, und er trug es aus der Stirn gekämmt. En chemise , und ich sah, dass er zum Tennisspielen Brust und Schultern gepolstert hatte. Seine Diener kleideten ihn an, während er sprach, und er schenkte ihnen keinerlei Aufmerksamkeit, während sie ihm den strahlend weißen Kragen umbanden, der sein fuchsrotes Haar und Gesicht umrahmte, während seine Wangen von der Anstrengung leuchtend rote Flecken aufwiesen.
    »Ihr tauscht Eure Kleider nach einem Spiel?«, erkundigte er sich.
    »Ja, und das ist sehr angenehm, Königliche Hoheit.« Rasch knöpfte ich mein Wams zu.
    Er vermittelte den Eindruck, als würde er auf mich hinunterblicken, obwohl ich mich erhoben hatte. Kurz furchte sich die Haut zwischen seinen Augenbrauen. Was auch immer ihm ein Zeichen gegeben haben mochte – und ich vermute, dass es meine Größe war und mein vorgeblich niederländischer Akzent; das Gesicht hatte ich glatt rasiert und das Haar gefärbt –, in jedem Fall bereitete es ihm keine weiteren Sorgen.
    Manchmal ist der Erfolg einer Verkleidung einfach eine Frage der Überzeugung: Er mag ja glauben, mich schon einmal gesehen zu haben – irgendwo –, aber ein Prinz trifft viele Leute … und, vermutlich auch viele Meuchelmörder.
    Das Licht fiel schräg durch die Fenster von oben in die Halle und auf die Tennisplätze. Am Rand sammelte sich der Hofstaat des Prinzen. Hinter mir hörte ich die typischen schmeichlerischen Kommentare, die man in Gegenwart von Königen und Fürsten stets zu hören bekommt und die stets weit ernster wirken, als sie tatsächlich gemeint sind. Heinrichs Partie hatte mit seinem Sieg geendet; um das zu wissen, hatte ich mir das Spiel gar nicht anzuschauen brauchen. Er gehörte nicht zu jener Art von Fürsten, die sich einen menschlichen Anstrich zu verleihen versuchten, indem sie auch einmal beim Sport verloren.
    In seinen Augen war nicht die Spur davon zu sehen, dass er mich erkannte.
    Ich bin der Mann, der deinen Vater töten sollte, der beobachtet hat, wie du genau das von ganzem Herzen versucht hast. Ich bin der Mann, der dich geschlagen hat, und du erinnerst dich nicht an mich?
    Aaah … aber ich war ja auch nur ein Diener.
    »Vielleicht würdet Ihr es auch als sehr angenehm empfinden, Königliche Hoheit, einmal das Leinen zu wechseln«, sagte ich in respektvollem Tonfall.
    »Vielleicht. Aber badet Ihr denn nicht?«
    Ich zuckte mit den Schultern. »Das ist nicht meine Gewohnheit, Königliche Hoheit.«
    »Es ist meine Gewohnheit, im Fluss zu baden.« Er nickte in Richtung der Hallentür, hinter der sich hier in Richmond die Themse befand und langsam in Richtung Meer floss. »Wollt Ihr Euch mir anschließen, Sir?«
    So muss auch Fludd sich gefühlt haben, dachte ich, als er zum ersten Mal gehört hat, wie ein Mann die Worte spricht, die er vorausberechnet hat.
    Ich muss nur ›Nein‹ sagen.
    Ich muss Heinrich nur einladen, etwas Besseres zu tun. Ich muss ihn ablenken,

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