1610 03 - Soehne der Zeit
verbarg meine Sorge angesichts des Rufs des Prinzen.
»Königliche Hoheit?« Ich nahm den Hut ab und verneigte mich auf niederländische Art.
Heinrich winkte seinen Dienern zu gehen. Von weitem musste es so aussehen, als sprächen der Prinz und der Ausländer über ihren Scherz betreffs des kalten Wassers. Ich blickte in die grünen Augen, die er mir zuwandte. Will er jetzt doch nicht mehr schwimmen? Soll ich sofort den Dolch ziehen?
Der junge Mann sagte: »Monsieur Herault. Zuerst habe ich Euch gar nicht erkannt.«
Der Scharfsinn in seinen Augen ließ mich innerlich mich selbst verfluchen. Ich bestätigte ihm seine Vermutung weder, noch leugnete ich sie, sondern verneigte mich und beobachtete ihn schweigend. Ich wollte erst einmal hören, was er zu sagen hatte.
»Da habt Ihr Euch wirklich eine gute List ausgedacht, sich mir zu nähern.« Der Prinz nickte in Richtung der Halle zurück, die jenseits der Wiese kaum zu erkennen war. »Euer Können ist so gut wie eh und je, Monsieur. Ich möchte, dass Ihr eines wisst: Euch gebe ich keine Schuld an meinem Scheitern in Wookey. Es war so typisch für meinen Vater, sich feige eine Rüstung anzuziehen. Das hättet Ihr nicht wissen können.«
Die Überraschung, die ich empfand, unterdrückte ich sofort und setzte stattdessen einen zerknirschten Gesichtsausdruck auf. »Ich nehme an, man hätte damit rechnen können, Königliche Hoheit.«
»Macht Euch keine Sorgen, Monsieur Herault. Ich weiß Euren Versuch zu schätzen – es war ausgesprochen galant. Später dann, im Tower, war mein Vater von seinen Anhängern wohl zu gut geschützt, nicht wahr? Ja, das habe ich mir schon gedacht.«
Heinrich packte meinen Unterarm mit einer Hand, stark genug, einen Tennisschläger zu schwingen – oder ein Schwert oder einen Dolch.
»Was damals gegolten hat, gilt auch jetzt noch: Mein Vater ist ein feiger, alter Mann, den es einen Dreck schert, dass man Christus in diesem heidnischen, papistischen Land Tag für Tag bespuckt. Ihr habt einen guten hugenottischen Namen, Monsieur, ich weiß, dass Euch dabei ebenso die Galle hochkommt wie uns anderen auch.«
Er ließ seinen Blick über sein Gefolge schweifen. Viele sind älter als er, dachte ich. Inzwischen besteht seine Fraktion nicht mehr nur aus Jünglingen.
»Aber habt keine Angst«, fuhr Heinrich Stuart mit einer Freundlichkeit und Tapferkeit fort, wie sie auch Heinrich IV. in seiner Jugend gezeigt haben mochte – jener Heinrich, den dieser Heinrich angeblich am meisten bewunderte; jener Heinrich, der fast einen paneuropäischen Krieg begonnen hätte.
Prinz Heinrich Stuart sagte in leidenschaftlichem Tonfall: »Eine andere Gelegenheit wird kommen. Dass Ihr nun hier seid, betrachte ich als Zeichen. Wo wir vorher gescheitert sind, werden wir nun obsiegen. Aber darüber werde ich später ausführlicher mit Euch sprechen. Kommt in den Palast von Richmond. Ich werde Euch zu gegebener Zeit rufen lassen.«
Es folgte eine weitere Geste, bevor ich etwas sagen konnte, und die Diener kehrten wieder zurück, um Heinrich auch von seinen restlichen Kleidern zu befreien. Sein Hemd bestand aus Seide mit schwarzen Stickereien um die Achseln; er ließ es einfach ins nasse Gras fallen. Seine Figur war von der Schulter bis zur Hüfte, vom Hintern bis zum Schenkel eines italienischen Bildhauers würdig.
Er warf mir ein unübertroffen süßliches Lächeln zu – was ihm seinem Vater so ähnlich machte, ohne dass er es wusste – und sprang ins flache Wasser, wo er planschte und fröhlich johlte. Sein halber Hofstaat folgte ihm.
Was habe ich getan? Was habe ich nur getan?
Nun, was genau ich getan hatte, war klar: In vollem Wissen hatte ich einen Weg gewählt, der unweigerlich zu Prinz Heinrichs Tod führte, Millionen anderer jedoch rettete, indem ein neuer Hundertjähriger Krieg vermieden wurde.
Der Wind ließ kleine Wellen auf der Wasseroberfläche entstehen, und Laub trieb an mir vorbei.
Falls das denn alles stimmt … Weder ich noch sonst jemand wird lange genug leben, um zu sehen, ob dies alles sich als wahr herausstellt.
All diese Gedanken gingen mir auch noch in den nächsten Tagen im Kopf herum, während der Prinz so gesund blieb wie ein Pferd.
In den folgenden Wochen des Oktobers 1612 folgte ich ihm zu verschiedenen öffentlichen Auftritten, bis er sich am 25. ins Bett zurückzog und ein Lehrling von Doktor Theodore de Mayenne – der nicht so immun gegen Bestechungen war wie sein Herr – mir mitteilte, dass die Augen des Prinzen in die
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