1610 - Knochen-Lady
den rechten Arm anheben. Und ihre Hand winkte mir zu wie eine Kralle.
»Nicht!«, brüllte sie.
Ich schoss trotzdem, denn nur die Zerstörung der dämonischen Schädel konnte sie retten.
Und wieder jagte die geweihte Silberkugel in dieses hässliche Ding hinein und riss es auseinander. Die einzelnen Teile spritzten vom Regal weg und prallten zu Boden, wo sie abermals zersplitterten.
Wieder hörte ich Miranda schreien. Diesmal blieb es nicht dabei. Denn sie schaffte es durch eine gewaltige Kraftanstrengung, auf die Beine zu gelangen, auch wenn sie nun schwankend stehen blieb und so aussah, als würde sie jeden Moment wieder umfallen.
Sie hatte beide Arme nach vorn gestreckt und die Hände zu Kallen gekrümmt.
Ich sah ihr an, dass sie mir am liebsten die Augen ausgekratzt hätte. Ihr Blick hatte einen irren Ausdruck angenommen, der Mund stand jetzt weit offen, und sie ließ sich einfach gegen mich fallen, um mich am letzten Schuss zu hindern.
Ich schwankte mit ihr zusammen zurück, und beide prallten wir gegen die Wand. Ich hatte in diesen Augenblicken das Gefühl, einer Kannibalin gegenüberzustehen. Ihr Mund war weit aufgerissen, und sie sah aus, als wollte sie mir ihre Zähne ins Gesicht schlagen.
Um sie loszuwerden, musste ich Gewalt anwenden. Ich wollte sie wegschieben, doch das schaffte ich nicht. Miranda drückte sich näher an mich heran, um besser zuschnappen zu können.
Ich rammte mein rechtes Knie hoch. Es traf ihren linken Oberschenkel.
Der Treffer würde ihr Schmerzen zufügen und sie auch schwächen, aber es war im Moment die einzige Möglichkeit, um sie loszuwerden.
Sie taumelte zurück. Dann stand ihr das Bett im Weg. Sie landete nicht nur auf der Matratze, sondern auch auf ihren Totenschädeln, die dem plötzlichen Druck nicht mehr aushielten und knackend zusammenbrachen.
Ich hatte jetzt Zeit, genau zu zielen. Es war noch ein Schädel übrig, und auch der musste vernichtet werden, sollte meine Aktion Erfolg haben.
Der Kampf war auch an mir nicht spurlos vorbei gegangen. Ich war längst nicht mehr so cool und musste mich zusammenreißen, um eine ruhige Hand zu bekommen.
Der rote Schädel war mein Ziel.
Diesmal hielt ich die Waffe mit beiden Händen fest und hörte hinter mir das Toben der Knochen-Lady. Davon ließ ich mich nicht ablenken, sorgte für die Ruhe, die ich brauchte, und konnte den Totenschädel nicht verfehlen.
Auf mich machte er den Eindruck, als wäre er mit Blut bestrichen worden, das wenig später auseinanderspritzte, als mein Geschoss ihn zerschmetterte.
Die Reste fielen zu Boden. Das Echo des Schusses verhallte, es wurde wieder still. Auch von Miranda war nichts mehr zu hören.
Langsam, aber noch immer schussbereit drehte ich mich um und sah, was mit der Knochen-Lady geschehen war.
Miranda hatte versucht, ihr Bett zu verlassen, um mich an meiner letzten Aktion zu hindern. Es war ihr nicht gelungen. Die untere Hälfte ihres Oberkörpers lag noch auf dem Bett. Die andere war nach vorn gekippt, sodass sich ein Teil ihrer langen Haare auf dem Fußboden ausbreiteten.
Im ersten Augenblick dachte ich daran, eine Tote vor mir zu haben. Aber ich hörte ihr leises Jammern und atmete auf.
Schnell war ich bei ihr und hob sie an.
Zwischen den Resten der zerbrochenen Totenschädel legte ich sie auf das Bett. Ich musste ihre Haare zur Seite streichen, um das Gesicht sehen zu können.
Es war einfach zu dunkel, um erkennen zu können, was mit ihr genau geschehen war. Eine Lampe gab es hier nicht, und so verließ ich mich auf meine kleine Leuchte, die ich immer bei mir trug.
Ihre Augen zuckten, als ich das Gesicht anstrahlte. Kurz danach zuckte auch ich zusammen, als ich sah, was mit ihr geschehen war.
Miranda war nicht tot. Und trotzdem war sie zu einer anderen Person geworden. Das lag an ihrem irren Blick, der nicht zu übersehen war.
Es gab nur eine Schlussfolgerung.
Miranda war dem Wahnsinn verfallen…
***
Das hatte ich nicht gewollt, aber es hatte für mich auch keine andere Möglichkeit gegeben. Die Schädel hatten zerstört werden müssen, um diesen unheilvollen Zauber zu vernichten.
Ich wollte herausfinden, ob Miranda noch irgendwelche Reaktionen wahrnahm, und strich mit der Hand vor ihren Augen entlang.
Nein, da war nichts.
Sie sah nichts, sie reagierte nicht, ich hörte nur ihr leises Röcheln, wenn sie atmete.
Jedenfalls war sie nicht tot. Doch das Leben, das jetzt vor ihr lag, war schlimm. Möglicherweise merkte sie durch ihren verwirrte Geist nichts
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