1610 - Knochen-Lady
langsam an.
Den Weg bis zur Kaserne hatte ich mir gut eingeprägt, und so bestand kaum Gefahr, dass ich mich verfuhr.
Bill war fast zu einem anderen Menschen geworden. Er kämpfte mit etwas, das ihn überfallen hatte und nun in seinem Innern steckte.
Ich kam immer mehr zu der Überzeugung, dass der gelbe Totenschädel seine Kraft ausspielte, aber noch griff ich nicht ein, weil sich Bill relativ normal verhielt.
Ich entdeckte sogar noch das alte Schild, das auf die Kasernen hinwies.
Als ich dem Hinweis folgte, sah ich die Anlage bereits nach knapp hundert Metern an der linken Seite auftauchen.
Es gab keinen Zaun mehr, aber die Häuser standen noch. Es waren breite Kästen, und ich zählte bei jedem der sechs Häuser jeweils zwei Etagen.
Der schnelle Blick zu Bill.
Er hatte sich so gut wie nicht verändert. Allerdings glaubte ich, dass er ruhiger geworden war. Vielleicht sogar ein wenig entspannter, was mich freute.
Es gab zwar keinen Zaun mehr, aber es musste einen Weg geben, über den ich zu den Häusern fahren konnte. Sekunden später rollte der Rover über einen asphaltierten Weg, der Risse zeigte.
Zwischen den Häusern breiteten sich normalerweise Rasenflächen aus.
Sie waren auch jetzt noch da, nur nicht zu sehen, denn dort hatte der Winter noch seine grauweißen Spuren hinterlassen.
Wo ich parkte, war egal. Die andere Seite würde uns finden, und deshalb hielt ich den Rover zwischen den Häusern an und stellte den Motor ab.
»Da wären wir.«
Bill deutete so etwas wie ein Nicken an. Mehr tat er nicht.
Durch seine Reaktion geriet ich ins Grübeln. Er gefiel mir überhaupt nicht mehr. Er hatte sich verändert, nein, etwas musste ihn verändert haben.
Es war wohl am Besten, wenn er im Rover zurückblieb und ich mich allein umschaute. Wobei ich den gelben Totenschädel mitnehmen würde. Quasi wie eine Eintrittskarte.
»Okay, Bill. Dann werde ich mal aussteigen.«
»Nein!«
Er hatte das eine Wort scharf gesprochen, und ich zuckte regelrecht zusammen. Auch wollte ich die Antwort nicht glauben und fragte noch mal nach. »Was hast du gesagt?«
»Nein!«
»Okay, und warum nicht?«
»Weil ich es so will.«
Ich ging auf das Spiel ein. »Gibt es denn dafür einen Grund, dass du es nicht willst?«
»Den gibt es.«
»Da bin ich gespannt.«
Ich hätte nie im Leben damit gerechnet, was nun geschah. Ich sah nur, dass Bill seinen rechten Arm sehr schnell bewegte und die Hand unter seiner Jacke verschwand. Einen Moment später war sie wieder zu sehen. Jetzt nicht mehr leer, denn sie hielt die Beretta. Zugleich hatte sich Bill, der nicht mehr angeschnallt war, mir zugedreht und plötzlich zeigte die Mündung auf meine Stirn.
»Was soll das?«
»Du wirst nicht gehen, John. Ich werde es verhindern.«
»Und wie?«
»Indem ich dich töte!«
***
Nein, das war kein Scherz. Bill hatte es ernst gemeint. Zugleich war mir klar, dass nicht der Bill Conolly gesprochen hatte, den ich kannte. Bill sah zwar so aus wie immer, aber sein Inneres war von einer anderen Macht übernommen worden.
Das war nicht mehr er. Dahinter steckte eine andere Macht oder Kraft.
Es war der gelbe Schädel, und der wiederum stand unter dem Einfluss einer gewissen Miranda.
Ich schaute Bill in die Augen und fragte mich, ob es nicht seine waren.
Nach außen hin schon, aber er sah mich mit einem Blick an, der so kalt wie Gletschereis war. Wer in diese Augen schaute, der fing unwillkürlich an zu frieren.
Ich zwang mich zur Ruhe. Bill hielt die Waffe weiterhin auf mich gerichtet, und ich sah, dass sein Finger schon den Abzug berührte. Ein leichtes Zucken nur, und es war vorbei mit mir.
Ich musste die Nerven behalten und durfte nichts überstürzen. Es fiel mir aber nicht leicht, weil es sich um meinen ältesten Freund handelte, der mich umbringen wollte.
»Warum willst du mich töten?«
»Weil ich es muss.« Der Reporter hatte geklungen, als hätte ein Automat gesprochen.
»Wer sagt das?«
»Er und sie!«
»Haben sie auch Namen?«
»Sie sind in meinem Kopf. Ich muss ihnen gehorchen.«
Ich versuchte es mit einem Lächeln, aber es wurde nur ein Zucken.
»Bist du nicht ein Mensch, der sich selbst gehorchen sollte, Bill? Jeder sollte sich nur selbst gehorchen und sich nicht von anderen lenken lassen.«
Nach diesen Worten sah es so aus, als hätte ich etwas erreicht, denn Bill verlor für einen Moment seine Starre. Auf der Stirn bildeten sich sogar leichte Falten, doch meine Hoffnung sank ebenso schnell wieder zusammen, wie sie
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