1610 - Knochen-Lady
gespannt, wie sie sich verhalten würde. Es konnte durchaus sein, dass sie nicht so leicht aufgab und etwas dagegen unternehmen wollte, dass ihr Lebenswerk zerstört wurde. Aber sie schien auch zu wissen, dass ich der Stärkere war. Einer, der sich durch ihre Schädel nicht beeinflussen ließ. Genau das war es, was sie dabei am meisten störte.
Sie schüttelte den Kopf und flüsterte: »Wer bist du? Warum haben die Schädel bei dir keinen Erfolg?«
»Soll ich es dir sagen?«
»Ja, ich will es wissen.«
Ich fühlte mich sicher und ließ meine Waffe verschwinden. Dann griff ich in meinen Nacken, streifte die Kette über meinen Kopf und ließ das Kreuz auf meiner flachen Hand liegen.
»Weißt du nun Bescheid, Miranda?«
»Das Kreuz«, flüsterte sie.
»Ja, darauf setze ich. Darauf vertraue ich. Das habe ich schon immer getan im Kampf gegen das Böse und die Mächte der Hölle. Wie immer sie auch aussehen mögen.«
Miranda war noch immer irritiert. Sie hatte zwar ihre Haltung nicht verändert, aber sie war von einer Unruhe erfasst worden, die sie nicht unterdrücken konnte.
Es war ihre einzige Reaktion, was mich schon ein wenig wunderte. Normalerweise zuckten meine Gegner vor dem Anblick des Kreuzes zurück.
Viele drehten auch durch, erlebten Schmerzen und wanden sich.
Das tat Miranda nicht, und mir kam der Gedanke, dass sie trotz allem noch eine normale Frau war, die ihr Menschsein nicht verloren hatte.
Ich wartete darauf, dass sie mich ansprach, und das dauerte nicht lange.
»Ist es dein Schutz, John?«
Jetzt wusste ich, worauf sie hinauswollte.
»Ja, so muss man es sehen. Deine Helfer haben es nicht geschafft, mich in ihren Bann zu ziehen. Ich hatte meine Abwehr vor der Brust hängen. Meinen einmaligen und auch wunderbaren Schutz vor dem Bösen und den satanischen sowie dämonischen Mächten.«
Miranda hatte es gehört. Noch tat sie nichts, und ich war wirklich gespannt, was sie unternehmen würde. Ich glaubte nicht daran, dass sie einfach auf dem Bett sitzen bleiben würde, doch ich hatte mich geirrt. Sie blieb sitzen. Ihre Haltung wurde wieder starr. Sie blickte mich an und ich hatte den Eindruck, dass sie durch mich hindurchschauen würde.
Wenig später wunderte ich mich darüber, dass sie mich nicht mehr ansprach.
Sie redete zwar, bewegte auch ihre Lippen, doch die geflüsterten Worte, die ich hörte, verstand ich nicht. Ich wusste nicht mal, ob sie in einer normalen Sprache über ihre Lippen drangen.
Ich gelangte zu dem Schluss, dass sie so etwas wie eine Beschwörung darstellten, wen auch immer Miranda anrufen wollte.
Ihre Stimme blieb nie gleich. Mal klang sie normal, dann wieder dunkel, als steckte in ihr etwas Böses. Hell schrillte sie mir ebenfalls entgegen, und ich hörte die Wut hervor.
Ich achtete nur auf ihr Gesicht, dessen Ausdruck sich verändert hatte.
Sämtliche Weichheit war aus ihm verschwunden.
Jemand anderer musste in ihr stecken. Es konnte eine andere Macht sein, etwas, das im Dunkeln lauerte und jetzt zum Vorschein kam.
»Er muss sterben!«
»Du musst ihn vernichten!«
»Reiß ihm die Kehle auf!«
Drei Sätze, aber von drei verschiedenen Stimmen gesprochen. Zwar flüsternd, aber dennoch gut zu unterscheiden. Ich musste auch nicht lange raten, um wen es sich dabei handelte.
Es waren die Stimmen, die zu den farbigen Schädeln gehörten. Die Geister waren nicht gebannt. Und sie hatten es geschafft, Kontakt mit Miranda aufzunehmen.
Ich hatte den Gedanken, Miranda zu retten, noch nicht aufgegeben. Ich ließ sie nicht aus den Augen und sah deshalb, wie ein Ruck durch ihren Körper ging. Es war der Anfang.
Nach dem zweiten Ruck löste sich ihre Haltung auf. Die Beine waren nicht mehr gekreuzt.
Sie bewegte sich so, dass sie sich hinknien konnte, und in dieser Haltung blieb sie auch.
Ich wusste, dass es erst der Anfang war. Man konnte bei ihr den Eindruck haben, dass sie von einer Aura des Bösen umgeben war, die auch mein Kreuz nicht vertreiben konnte.
Es verstrich Zeit, ohne dass sie sich bewegte. Dann aber zuckte sie noch mal zusammen und stand mit einem Ruck auf. Die Matratze bewegte sich dabei. Und die dort liegenden Schädel gerieten in Bewegung. Wenn sie gegeneinander prallten, entstand ein Klacken, als wären Billardkugeln zusammengestoßen. Bei ihrer Aktion ließ sie mich nicht aus dem Blick, und ich sah, wie sehr sie sich verändert hatte.
Sie war jetzt von dem Geist erfüllt, den die Schädel in sich gehabt hatten. Das Böse war in sie eingedrungen und hatte
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