1613 - Blut-Rivale
John! Das ist Loretta!«
Genau der Meinung war ich auch. Nur zeigte sie sich nicht, und sie war auch nicht so nahe, dass mein Kreuz reagiert hätte, denn ich spürte nicht den geringsten Wärmestoß.
Es verstrichen Sekunden, in denen nichts geschah. Keiner von uns glaubte, dass Loretta verschwunden war. Es wäre nicht mal erstaunlich gewesen, wenn sie plötzlich aufgetaucht wäre und uns mit ihren Schwert angegriffen hätte.
Ich war des Wartens leid und rief die Frage kurzerhand in die Dunkelheit hinein.
»Bist du noch da, Loretta?«
»Was sonst?«
»Und weiter?«
Sie lachte wieder. »Das ist euer Problem, wie? Aber ich sage euch, dass Ethan Hunter mir gehört. Habt ihr das verstanden?«
»Ja. Aber wir werden uns nicht daran halten«, sagte ich und fragte dann: »Wartest du auch auf ihn?«
»Nein, nicht mehr.«
Es war leicht, aus dieser Antwort eine Folgerung zu ziehen. »Dann ist er also schon her gewesen.«
»Gut gefolgert.«
Diesmal musste ich lachen. »Und du hast ihn nicht ausschalten können? Du enttäuschst mich, Loretta. Ich habe dir mehr zugetraut, viel mehr. Er ist dir überlegen.«
Meine Worte hatten ihr nicht gefallen und an ihrem Ego gekratzt.
»Niemand ist mir überlegen!«, spie sie aus. »Keiner von euch Blutträgern, verstehst du das?«
»Klar, Loretta. Aber du hast ihn nicht ausschalten können.«
»Beim nächsten Mal.«
Mit dieser Antwort hatte sie zugegeben, dass ihr der Mann entwischt war. Was ich wiederum richtig gut fand. Jetzt hatten sie und Dracula II einen Feind mehr. Innerlich stellte ich mich darauf ein, Ethan Hunter den Diebstahl des Pfahls zu verzeihen. Er war bei ihm vielleicht sogar in den besseren Händen.
»Wann soll das denn sein?«
»Das werde ich bestimmen, und dann werde ich sein Blut trinken, Sinclair.«
»Viel Spaß dabei.«
»Den werdet ihr noch bekommen, weil ihr euch nicht herausgehalten habt, wie man es euch sagte.«
»Hast du denn im Ernst geglaubt, dass wir so etwas tun würden? Nein, Loretta, wir werden uns um Ethan Hunter kümmern. Dagegen kannst auch du nichts unternehmen.«
»Warte es ab, Sinclair.«
»Gern.«
Sie hatte offenbar keine Lust mehr zu reden, denn es blieb ruhig. Zwar waren wir irgendwie noch darauf gefasst, dass sie uns angreifen würde, aber auch damit hielt sie sich zurück, und so entschlossen wir uns nach einer Weile, den Friedhof zu verlassen, denn hier passierte nichts mehr.
Wenig später kletterten wir erneut über die Mauer und gingen zu unserem Wagen. Auch jetzt schauten wir uns um, aber Loretta hatte uns keinen Hinterhalt gelegt.
»Was machen wir jetzt?«, fragte Suko und konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen.
»Wir fahren nach Hause.«
»Dachte ich mir. Was ist mit Jane Collins? Willst du ihr keinen Bescheid geben?«
»Doch ich rufe sie an, während du fährst.«
Die Detektivin schien neben dem Telefon gelauert zu haben, so schnell meldete sie sich.
»Ich bin es nur.«
»Und? Habt ihr etwas erreicht?«
»Indirekt schon.«
Ich gab ihr einen Bericht und sie hörte zu, ohne etwas zu sagen. Das tat sie erst später.
»Wie siehst du das denn? Seid ihr weitergekommen oder nicht?«
»Nein. Uns wurden nur gewisse Dinge bestätigt, an die wir schon vorher geglaubt hatten.«
»Aber ihr habt nicht erfahren, wie das Spiel weiterhin laufen wird?«
»Leider nicht. Ich kann dir versichern, dass es erst der Anfang gewesen ist. Da gibt es zwei Parteien, und keine von denen denkt daran, auch nur einen Fußbreit nachzugeben.«
»Wird eine tolle Zukunft, oder?«
»Du hast es erfasst, Jane. Vielleicht sollten wir doch Justine Cavallo ins Boot holen.«
»Sie will nicht. Sie amüsiert sich. Am liebsten würde ich sie aus meinem Haus werfen.«
Ich lachte. »Damit sie dann bei mir einziehen kann, wie?«
»Hahaha. Wann sehen wir uns?«
»Keine Ahnung. Wir legen uns jetzt erst mal aufs Ohr. Morgen ist auch noch ein Tag.«
»Bis dann…«
Das Gespräch war vorbei. Da ich nicht auf laut gestellt hatte, musste Suko fragen.
»Alles okay?«
»Das, mein Lieber, wird sich noch zeigen…«
***
Früher hatte sich Ethan Hunter in Hotels einquartiert oder auch in kleinen Pensionen, wenn er undercover unterwegs war. Das hatte sich bei ihm geändert, denn hier in London wohnte er in einem Apartment, das sich in einem anonymen Hochhaus nahe der Themse und mit guter Sicht auf das Riesenrad befand.
Der Wohnblock war im Hafenviertel neu errichtet worden, und die Mieten waren entsprechend teuer. Kein Problem für Ethan, denn diese
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