1614 - Morganas Werwolf-Party
wollte Sie auch darauf ansprechen.«
»Wer wollte denn etwas?«
»Ein Mann. Dem Dialekt nach war er kein Schotte, sondern ein Engländer. Er hieß John Sinclair und wollte unbedingt mit Ihnen sprechen. Ich habe ihm gesagt, dass Sie beschäftigt sind. Er wollte dann später wieder anrufen. War das okay?«
Die Rektorin gab keine Antwort. Sie hatte sich zur Seite gedreht, damit die Sekretärin ihr Gesicht nicht sah. In ihm hatte sich etwas verändert.
An gewissen Stellen zuckte die Haut, und auch die Lippen bewegten sich leicht.
Die Nennung des Namens hatte bei ihr eingeschlagen wie eine mittelschwere Bombe. Einen John Sinclair kannte sie. Nicht persönlich.
Morgana Layton hatte diesen Sinclair erwähnt und nicht eben positiv von ihm gesprochen. Er stand auf der anderen Seite und war, wenn man es genau nahm, ihr Todfeind.
Dass Sinclair so schnell in Dundee auftauchen würde, damit hatte sie nicht gerechnet.
Das Blut schoss ihr in den Kopf, und der folgende Schwindel war nicht gespielt.
Das sah auch Sandra Wayne und flüsterte: »Ist Ihnen nicht gut, Mrs. Cook?«
Langsam drehte sich die Rektorin um. Dabei schoss ihr eine Idee durch den Kopf.
»Sie haben schon recht«, sagte sie mit leiser Stimme. »Es - es - geht mir wirklich nicht gut. Ich habe meine Arbeit wohl zu früh wieder aufgenommen.«
»Dann gehen Sie doch nach Hause.«
Henriette lächelte. »Das ist eine gute Idee. Ich glaube, dass ich es auch tun werde.«
»Wir kommen hier schon allein zurecht.«
»Danke. Ich melde mich dann.«
»Okay. Und gute Besserung, Madam.«
»Wird schon werden.«
Sekunden später war die Rektorin verschwunden und ließ die Sekretärin im Büro zurück, die nach wie vor fest daran glaubte, ihrer Chefin einen guten Vorschlag gemacht zu haben…
***
Zum Glück kannte sich Carlotta in der Stadt aus. So wusste sie auch, wo die Schule war, die von Henriette Cook geleitet wurde. Wir befanden uns in der glücklichen Lage, nicht groß herumfahren und suchen zu müssen.
Wir erreichten recht schnell das Ziel, wo es direkt neben dem großen Gebäude einen Parkplatz gab.
Wir hatten uns vorgenommen, die Frau zu überraschen, denn ich hatte den Eindruck gehabt, dass mich die Sekretärin abgewimmelt hatte.
Die Frau hieß Sandra Wayne und saß im Sekretariat. Sie hatte sich mit ihrem Namen am Telefon gemeldet.
Vorgewarnt hatten wir sie nicht. Wir wollten sie direkt mit gewissen Dingen konfrontieren, aber erst mussten wir mal ihren Arbeitsplatz finden.
Die Schule gehörte noch zu den alten Gebäuden. Sie stand bestimmt schon ein halbes Jahrhundert. Und als wir den Bau betraten, wurde ich an meine eigene Schule erinnert, die auch so breite Aufgänge und dicke Mauern gehabt hatte.
Lehranstalten hatte man früher diese Schulen genannt. Das traf hier perfekt zu. Uns empfing kein Schülergeschrei, die Kinder und Jugendlichen saßen in den Klassenräumen. Anscheinend wurde die Disziplin hier hochgehalten.
Es gab eine Tafel, die so etwas wie einen Wegweiser darstellte. Nach einem kurzen Blick wussten wir, wohin wir zu gehen hatten.
Das Sekretariat lag im ersten Stock.
Die Treppe mit den breiten Stufen hatten wir schnell hinter uns gebracht.
Über blanke Fliesen gingen wir auf die Tür zum Sekretariat zu. Suko klopfte an. Eine Rückmeldung war nicht zu hören, und so drückte er die Tür nach innen.
Ein großer Raum. Zwei Schreibtische. Regale an den Wänden, die vollgestopft mit Unterlagen waren. Einen kleinen Tresor entdeckten wir auch. Den Mittelpunkt aber bildete eine blonde Frau, die eine rote Kostümjacke trug und auch wegen der großen schwarzen Hornbrille auffiel, die fast die Hälfte ihres Gesichts verdeckte.
Die Frau war vertieft in ihre Arbeit.
Wir hatten das Büro bereits betreten, als ich mich räusperte. Der Laut erschreckte die Blonde. Sie starrte in unsere Richtung, und ihre Augen waren weit geöffnet.
»Guten Morgen«, grüßte ich.
Sie konnte noch nicht sofort antworten, musste erst schlucken und fragte dann: »Wer sind Sie? Wie kommen Sie hier ohne Anmeldung überhaupt herein? Ich bitte Sie!«
»Mein Name ist John Sinclair.« Danach stellte ich Suko vor, aber darauf achtete sie nicht, denn sie hatte nur Augen für mich.
»Sind Sie - ich meine, haben Sie mich nicht heute schon angerufen?«
»Das habe ich, Mrs. Wayne.«
»Und Sie wollten die Chefin sprechen?«
»Genau.«
»Sie ist nicht da. Außerdem war nicht ausgemacht, dass Sie hier ohne Anmeldung erscheinen.«
»Es musste so sein.«
Meine Antwort
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