1620 - Vorleser des Teufels
war die beste Möglichkeit, die ich hier sah, und der Vorleser nickte, bevor er sich bewegte und dorthin ging, wo ich es wollte.
Er stand an der Wand, leider auch nahe der Tür. Es war nicht anders zu machen gewesen. Für mich war wichtig, dass ich auf die Füße kam und dass mir der Bokor den Rücken zudrehte. Ich hatte einfach nur vor, ihn durch einen Niederschlag außer Gefecht zu setzen. Gleiches hatte er an mir praktiziert.
Er wich zurück. Das geschmeidige Leder seines Mantels warf dabei leichte Falten. Ich hatte ihm gesagt, dass er sich umdrehen sollte, und daran hielt er sich. So sah er nicht, wie ich mich auf die Beine quälte.
Locker war das nicht. Ich schwankte schon und stützte mich mit einer Hand an der Wand ab.
Karu hatte seinen Platz fast erreicht. Ich wollte schon aufatmen, als alles anders wurde. Er verwandelte sich zwar nicht in eine Schlange, doch er reagierte schnell und schlangengleich.
Ich konnte nichts dagegen unternehmen, als er nach dem Griff fasste und die Wohnungstür aufriss. Dabei stieß er einen wütenden Schrei aus und warf sich nach vorn. Ich wollte ihn keinesfalls entkommen lassen und schickte ihm noch eine geweihte Silberkugel nach.
Obwohl ich diesmal auf den Bokor gezielt hatte, verfehlte ich ihn, und der nächste Sprung katapultierte ihn in den Flur hinein und fast bis zur Treppe hin, über deren obere Stufenkante er sich abrollte und von einem Moment zum anderen verschwunden war.
Die Tür blieb zur Hälfte offen und ich hörte nur noch, wie er die Stufen nach unten hinabrollte.
Trotzdem nahm ich die Verfolgung auf. Es wäre alles anders gewesen, hätte mich der Treffer zuvor nicht niedergestreckt. So aber kämpfte ich mit den Folgen und lief wie ein Seemann, der sich auf schwankenden Schiffsplanken befand.
Ich erreichte die Tür, aber dann erfasste mich wieder ein Schwindel, sodass ich mich am Türrahmen festhalten musste.
Nichts mehr war von ihm zu sehen. Als eine Niederlage wollte ich seine gelungene Flucht nicht einstufen, denn zumindest war es mir gelungen, mein Leben zu retten. Nur das zählte im Moment.
Ich ging wieder zurück in die Diele und blieb dort stehen, nachdem ich die Tür geschlossen hatte. Die Erholung brauchte ich. Der Stress hatte mir den Schweiß aus den Poren getrieben.
Wenige Minuten später ging ich in das Wohnzimmer, aus dem ich gekommen war, bevor man mich niedergeschlagen hatte.
Es reichte ein Schritt, um zu sehen, was geschehen war. Auf der Couch lag Audrey Wilder. Ihr war das gleiche Schicksal widerfahren wie zuvor Rita Benson.
Sie lag auf dem Rücken. Es gab kein Leben, keinen Ausdruck mehr in ihren Augen.
Aber wer hatte sie getötet? Und wie war sie letztendlich ums Leben gekommen?
Um das herauszufinden, ging ich nahe an sie heran. Ich dachte dabei an das Versprechen des Bokor. Er hatte mich erwürgen wollen, was er allerdings bei mir nicht geschafft hatte, ganz im Gegensatz zu Audrey Wilder. Sie war erwürgt worden. Die Druckstellen waren einfach nicht zu übersehen.
Ich schaute sie mir genauer an. Durch meinen Beruf war ich mit zahlreichen Todesarten konfrontiert worden. Ich hatte auch Menschen erlebt, die erwürgt worden waren, und diese Bilder hatte ich nicht vergessen. Allerdings sahen die Druckstellen hier am Hals der Toten völlig anders aus. Da waren keine normalen Würgemale von Fingern zurückgeblieben, hier zeichnete sich etwas völlig Fremdes ab, was mit Druckstellen, die von menschlichen Fingern herrührten, nichts zu tun hatte.
Der gesamte Bereich der Kehle war blau angelaufen. Und als ich die Leiche etwas zur Seite drehte, da sah ich das gleiche Phänomen, das sich auch an der Rückseite fortsetzte.
Wer immer diese Frau erwürgt hatte, er hatte damit ihren gesamten Hals umschlungen, und das waren keine Hände gewesen.
Ich richtete mich wieder auf. Nur nicht zu hastig, aber es ging jetzt besser. In mir breitete sich eine starke Enttäuschung darüber aus, dass ich Audrey Wilder nicht hatte retten können, und ich schwor mir, dass es das letzte Opfer des Vorlesers gewesen sein sollte.
Glücklicherweise hatte mir Audrey vor ihrem Ableben noch einige Informationen geben können, die sehr wichtig waren.
Ich konnte die Leiche nicht in der Wohnung liegen lassen. So gab ich den Kollegen Bescheid, die alles andere als begeistert darüber waren, denn zu oft erhielten sie von mir derartige Nachrichten. Ändern konnte ich es leider nicht.
Der nächste Anruf galt dem Büro.
»Endlich, John«, sagte Suko erleichtert, »wir
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