1622 - Sie kamen aus der Totenwelt
gelangen.
Der Wettergott hatte sich auf unsere Seite geschlagen. Ein herrlicher Frühling hatte der Natur das Leben zurückgegeben. Jetzt blühte die Welt auf, und von einem leicht dunstigen Himmel lachte die Sonne. Die hohen Gipfel grüßten mit ihren Hauben aus Eis und Schnee, beobachtet von weißen Wolken, die sich auf dem Blau verteilten.
Ein Tag wie zum Faulenzen und zum Genießen geschaffen. Aber wir waren nicht gekommen, um Urlaub zu machen. Wir mussten ein Rätsel lösen, wie es schwieriger kaum sein konnte.
Es gab hier noch keine Touristenströme, die mit ihren Blechlawinen die Serpentinen hochfuhren. Und so konnten wir uns über einen recht geringen Verkehr freuen und hatten zudem das Glück, nicht hinter einem der Busse herfahren zu müssen.
Es ging bergauf. Und wie! Kurve reihte sich an Kurve. Die Serpentinen zogen sich wie eine Riesenschlange in die Berge hoch. Wir fuhren durch kleine. Orte und erreichten auch den Urlaubsort Lenzerheide, in dem ich vor Jahren mal einen Fall erlebt hatte. Da erinnerte ich mich an einen Mann namens Gordon Schreiber, der mir damals einige Probleme bereitet hatte.
Suko hatte seinen Spaß. Er war ja der Autofreak. Und mit einem solchen Fahrzeug durch die Kurven zu rollen, das war für ihn Genuss pur.
Auch ich ließ mich durch die majestätische Berglandschaft gedanklich und optisch ablenken. Für eine Weile dachte ich nicht mehr an den vor uns liegenden Fall, und auch mit Harry Stahl unterhielt ich mich nicht. Er saß auf der Rückbank und telefonierte mit seiner Partnerin Dagmar Hansen.
Hinter Lenzerheide ging es in ein Tal hinein, und wir durchquerten den Ort Tiefencastel. Von nun an ging es nur noch bergauf, und es war für mich immer toll, wenn ich die berühmte Bahnstrecke sah, auf der die roten Züge der Rhätischen Bahn fuhren, und dies war auch die Strecke des Glacier-Express, der die Städte Zermatt und St. Moritz verband. Das war für jeden Bahnfan ein Highlight.
Harry Stahl hatte sein Telefonat beendet und meldete sich bei uns. »Ich soll euch grüßen.«
Suko hob die Hand, ich bedankte mich und setzte eine Frage nach. »Wie geht es Dagmar denn?«
»Noch nicht viel besser. Daran zu erkennen, dass sie froh ist, nicht mit von der Partie sein zu müssen.«
»Sie soll sich ausruhen.«
»Das habe ich ihr auch gesagt.«
»Und?«
Harry lachte. »Es wird ihr wohl nichts anderes übrig bleiben.«
Die Strecke bot uns herrliche Ausblicke in Täler und auch auf weiße Gipfel. Darüber stand der blaue Himmel wie ein straff gespanntes Tuch, und ich konnte mir kaum vorstellen, dass wir hier mit dem Tod und dem Verderben in Berührung kommen sollten.
Wir fuhren an einem Stausee vorbei, und es war zu erkennen, dass wir uns dem Pass näherten, der über zweitausend Meter hoch lag. Die Vegetation veränderte sich. Sie wurde karger. Lärchenwälder erschienen, graue Felsen schauten aus dem frischen Grün der Wiesen, aber es gab an manchen Hängen auch noch Schneereste, die jetzt aussahen wie schmutziggraue Tücher.
Wir durchfuhren den kleinen Ort Bivio, dann ging es direkt auf den Pass zu. Die Umgebung wurde freier, und unser Blick öffnete sich. Der Himmel lag zwar nicht zum Greifen nahe, aber er schien näher gekommen zu sein, und er hatte sich belebt.
Das heißt, uns fielen die Vögel auf, die in dem Blau schwebten und ihre Kreise zogen. Es waren dunkle Tiere, und sofort dachte ich an die Raben, um die es uns ging.
Suko hatte sie ebenfalls gesehen. Er fragte mich: »Kannst du sie identifizieren?«
»Nein.«
»Aber du denkst das Gleiche wie ich.«
»Und wie ich auch«, meldete sich Harry Stahl vom Rücksitz her.
Wir brauchten nicht weiter darüber zu diskutieren. Jedem von uns war klar, dass es sich um Verfolger handeln konnte. Sicher waren wir nicht, aber wir würden die Augen offen halten.
»Lass uns auf dem Pass doch eine kurze Pause machen«, schlug Harry Stahl vor.
»Wegen der Vögel?«, fragte ich.
»Unter anderem. Außerdem habe ich etwas Hunger und könnte einen Riegel vertragen.«
»Müsli?«
»So ähnlich, John.«
Auf ein paar Minuten kam es nicht an. Wir rollten die letzten Meter bis zur Passhöhe und hatten das Gefühl, von einer kargen Mondlandschaft umgeben zu sein. Es gab keine Bäume mehr. Auch so gut wie keine Sträucher. Nur das Gras und den nackten grauen Fels, der sich wie Inseln auf der mattgrünen Fläche verteilte.
Wenig später hatten wir die Passhöhe erreicht. Es gab dort einen Kiosk, und natürlich waren wir nicht die
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