1627 - Die Arcoana am Scheideweg
Qeyonderoubo. Bisher hatten sie mehr als hundert Fälle, wobei die Zahl lawinenartig anwuchs. „Sie geben sich alle Mühe", legte der andere von der OUCCOU aus dar. „Sie versuchen, sich nicht aufdringlich zu verhalten. Manchmal verschwinden sie sogar, wenn man es ihnen mehr als dreimal sagt. Und sie stellen Fragen. Endlose Fragen zu allem möglichen, so wie früher."
„Aber was wollen sie?" erkundigte sich der Therapeut bestürzt. „Haben wir ihnen nicht deutlich genug klargemacht, was ihnen droht?"
„Doch, das haben wir schon." Qeyonderoubos Stimme klang alles andere als stabil. Die Anspannung machte selbst ihm, der sich in der letzten Zeit so sehr als Vorbild profiliert hatte, zu schaffen. „Aber sie versuchen, uns umzustimmen. Sie versuchen, sich selbst als Riin darzustellen, als die Freundlichen und Niedlichen von früher. Was sie auch tun, sie haben keine Chance. Sie wissen es nur noch nicht."
„Ich habe eine Bitte, Qeyonderoubo: Sobald sich einer der Sriin in der OUCCOU zeigt, kannst du ihn nach Caufferiosh schicken? Ich möchte mit einem gesunden Vertreter reden.
Nicht immer nur mit kranken."
„Das ist der Grund, weshalb ich den Webfaden zu dir hergestellt habe. Du kannst dir denken, daß es auf diesem Schiff vor Humanoiden nur so wimmelt. Wenn ich ein Netz hätte, könnte ich in jeder Stunde ein Dutzend fangen. - Warum sage ich das? Weil ich genau deiner Meinung bin. Du kannst den Sriin nicht helfen, vielleicht aber die Sriin selbst. Ich schicke mindestens einen nach Caufferiosh. Du hörst von mir."
Kalcadurionenser kümmerte sich routinemäßig um seine Patienten, sogar ein wenig um Sigimoshrygar, und versuchte ihren seelischen Zustand durch ein paar gezielte Worte aufzubessern. Eine allzu niedergeschlagene Assistentin konnte er sich nicht erlauben. Das jedoch war alles für diesen Sonnenlauf.
Er wartete nicht länger als bis zum nächsten Morgen. Schon machte eine der Schrecklichen ihn in seiner Schlafmulde ausfindig. „Hallo, Kai! Mein Name ist Desiramahr. Du kannst mich Sira nennen. Du hast geschlafen, was?"
„Ja, das habe ich."
„Na ja, war ja auch zu komisch, der Anblick. Aber ich bin ja nicht hier, um dir auf die Nerven zu fallen. Nein, wirklich nicht. Sag's bloß, wenn irgendwas mit mir nicht stimmt. Schon bin ich wieder verschwunden. Im Sauseschritt quasi - witzig, was? Hmm, aber zum Thema Schlafen fällt mir gerade ein, daß ich da wirklich schon Witzigeres gesehen hab'. Interessiert dich das überhaupt? Bestimmt nicht, so kurz nach dem Aufwachen ... Aber du sagst ja auch kein Wort. Jedenfalls bin ich nicht hergekommen, um meine Zeit zu vertrödeln. Deine auch nicht, ist ja logisch. Jedenfalls meinte euer Oberhirn Yonder, daß ich mir hier mal alles ansehen sollte."
„Qeyonderoubo", verbesserte der Therapeut. Und er verfluchte den anderen jetzt schon, weil er ihm eine derart redselige Sriin wie Desiramahr geschickt hatte. „Ja, ich bin froh, Sira, daß du hier bist. Bitte folge mir. Ich möchte dir ein paar Dinge zeigen."
„Was denn? He! Was denn, Kai?"
„Das sieht du, wenn es soweit ist."
„Ich will ja bloß wissen, ob es lohnt, die Sache weiterzuerzählen."
„Aber selbstverständlich lohnt es sich."
Kalcadurionenser wählte seinen Weg durch die Kuppeln absichtlich so, daß sie ihm trotz ihres Körperbaus folgen konnte. Er kletterte nicht über die aufgespannten Netze senkrecht nach oben, sondern benutzte nach Möglichkeit sanfte Steigungen. „In diesen Kuppeln haben wir die zehntausend Sriin gefangengehalten", erklärte er. Das harte Wort gebrauchte er mit voller Absicht. Sein Ziel war, Desiramahr unter anderem als Botin zu gebrauchen. Sie sollte ihren Artgenossen weitertragen, welche Gefahren von Caufferiosh drohten; und daß dies ein Ort des Schreckens war. „Sie hatten jeder eine Pritsche zum Liegen und sonst gar nichts."
Mit vorgetäuschtem Stolz deutete er ringsum auf die Lagermulden. „Ist das nicht interessant?" fragte er. „Es wundert mich, daß so wenige von euch hierherkommen."
„Mächtig interessant. Ja. War das alles? Dann kann ich ja wieder..."
„Halt, halt!" unterbrach der Therapeut. „Das Beste steht erst noch bevor. Du wirst staunen, wenn du das zu sehen kriegst."
Er führte die widerstrebende Desiramahr schnurstracks in die Krankenstation. Und als die Sriin ihre leidenden Artgenossen entdeckte, ließ er keinen Blick von ihr. Nie vorher hatte er so deutlich den Schrecken im Gesicht einer Sriin beobachten können. Desiramahr reagierte, als
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