1628 - Die Tür zum Jenseits
Hindernisse zu stolpern.
Wir erreichten wieder eine lichtere Umgebung. Von dort war das Geräusch gekommen.
Vor uns lagen die Grüfte wie auf dem Präsentierteller.
Jetzt hätte uns die Frau helfen können, was sie natürlich nicht tat. Sie blieb stur und spielte den Unschuldsengel.
Ich sah, dass Suko die Frau nach rechts zog. Er ging jetzt etwas schneller. Anscheinend war ihm etwas aufgefallen. Doris Dooley musste er jetzt hinter sich her zerren.
Ich blieb nahe bei den beiden, ließ aber auch das Gelände nicht aus den Augen und sah hinter den normalen Grüften einige kleine Bauten, die mir zuvor nicht aufgefallen waren. Häuser waren es bestimmt nicht.
Höchstens Totenhäuser.
Ich schwenkte nach rechts. Suko und die Frau gingen auf ein bestimmtes Ziel zu. Ich sah es noch nicht, konnte mir allerdings denken, dass es sich dabei um eine Gruft handelte.
Sie blieben stehen.
Suko fragte: »Ist es hier gewesen?«
»Ich weiß gar nicht, was Sie wollen!«
»Dann schauen Sie sich mal die Erde hier an. Sie sieht aus wie frisch aufgewühlt und nicht richtig platt geklopft, obwohl wir das Geräusch gehört haben.«
»Das bilden Sie sich ein.«
»Bestimmt nicht.«
Ich hatte die beiden inzwischen erreicht, gönnte mir ebenfalls einen Blick auf die Gruft und musste Suko zustimmen. Ja, an einer Seite sah sie so aus, als hätte man gegraben und die obere Erdschicht nur nachlässig platt geklopft.
»Was sagst du, John?«
Meine Antwort bestand darin, dass ich ihm den Spaten aus der Hand nahm und anfing zu graben. Zuvor hatte ich die Frau noch kurz angeschaut und erkannt, dass sie starr zur Seite blickte, als ginge sie das alles nichts an.
Das war mir egal. Mein Gefühl sagte mir, dass ich nicht tief graben musste. Deshalb ging ich behutsam zu Werke und trug die obere Schicht mit dem flach gelegten Spaten vorsichtig ab.
Zwei Zuschauer hatte ich. Beide schwiegen. Aber Doris Dooley atmete schon heftiger. Es war für mich der Beweis, dass ich an der richtigen Stelle suchte.
Plötzlich war es so weit. Ich spürte an der Vorderkante des Spatens einen Widerstand. Er war nicht besonders hart. Ich machte noch vorsichtiger weiter, und der Erfolg stellte sich tatsächlich ein.
Nachdem einiges von der ersten Schicht zur Seite geräumt war, schimmerte mir etwas Weißes entgegen.
Ich zog den Spaten fort, damit auch Suko und die Frau das sehen konnten, was ich freigelegt hatte.
Es war ein Männergesicht!
***
Plötzlich trat Stille ein. Auch Doris Dooley hielt den Atem an.
Ich machte weiter und schabte den Lehm vom Körper des Mannes, der tot war. Er trug keine Kleidung. Er war einfach nur nackt.
In seinem starren Gesicht war noch der Schrecken abgemalt, den er in den letzten Sekunden seines Lebens durchlitten hatte. Da die Leiche bis zu den Knien freilag, hätten wir eine Wunde sehen müssen, wenn er durch Waffengewalt ums Leben gekommen wäre. Da war leider nichts zu sehen. Der Mann musste auf eine andere Art vom Leben in den Tod befördert worden sein. Würgemale waren auch nicht zu entdecken.
Ich ging davon aus, dass uns Doris Dooley weiterhelfen konnte.
»Den Mann haben Sie also begraben. Sie hätten sich mehr Mühe geben müssen. So war er leicht zu finden.«
Sie schwieg.
»Wie heißt der Tote?«
»Keine Ahnung.«
»Ach, wollen Sie damit sagen, dass Sie ihn nicht kennen?«
»So ist es.«
Ich hob den Spaten an. »Und was ist damit?«
»Was soll damit schon sein?«
»Sie haben ihn benutzt. Da können Sie sagen, was Sie wollen. Wir werden dieses Gerät mitnehmen und es von unseren Spezialisten untersuchen lassen. Glauben Sie mir, Ihre Chance ist gleich Null.«
»Warum sollte ich ihn denn hier begraben haben?«
»Wir kennen Ihr Motiv nicht«, sagte Suko, »aber kann es unter Umständen mit dem Engel zusammenhängen, der so auffällig auf diesem Friedhof steht und etwas ganz Besonderes ist? Er passt nicht hierher, aber er steht sicher nicht grundlos hier.«
»Keine Ahnung.«
Suko schüttelte den Kopf. »Ihre Sturheit bringt Ihnen nichts, Mrs. Dooley. Sie sollten sich überlegen, ob Sie nicht mit uns zusammenarbeiten wollen. Mord ist eine böse Anklage.«
Suko hatte die richtigen Worte gefunden.
»Wieso Mord?«, keuchte sie.
»Ach, nicht? Ist der Mann, den Sie angeblich nicht kennen, etwa eines natürlichen Todes gestorben?«
»Möglich.«
»Oder sind Sie sicher?«
Sie dachte nach. Wir konnten es an ihrem Gesicht ablesen. Dort spiegelte sich das wider, was sie dachte. Da kam es zu einem inneren Kampf,
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