1628 - Die Tür zum Jenseits
kein Problem sein würde, in die Luke zu steigen. Ihre Ausmaße waren groß genug.
An einem der Ränder hielt ich an, um einen Blick in die Tiefe zu werfen.
Eine Treppe gab es nicht. Dafür eine Leiter. Sie war aus Metall und bestand nur aus wenigen Sprossen. Zu tief musste ich also nicht in die Erde hinabsteigen.
Meine kleine Taschenlampe würde mir den Weg zeigen. Im Moment brauchte ich sie noch nicht, denn die normale Helligkeit des Tages umgab mich. Sie floss auch noch bis dorthin, wo die Leiter endete.
Ich prüfte die Stärke der Sprossen und war zufrieden. Sie würden mein Gewicht halten.
Der Rest war ein Kinderspiel. Ich hätte auch ohne Leiter aus dieser Gruft herauskommen können. Sie war nicht sehr tief, auch nicht unbedingt geräumig, und ich nahm jetzt meine Leuchte zu Hilfe, um mir einen ersten Überblick zu verschaffen.
Zu einer Gruft gehören auch Särge. Oder gehörten Särge, denn diejenigen, die ich zu sehen bekam, sahen nicht mehr so aus.
Die Totenkisten hatten dem Zahn der Zeit Tribut zollen müssen. Sie waren verfault, zusammengesunken, und die Leichen, die dort lagen, sahen auch nicht viel besser aus.
Ich hatte mich auf einen üblen Geruch eingestellt. Da irrte ich mich. Die Luft war zwar nicht frisch, aber sie stank nicht nach Leichenpest.
Trotzdem kam mir den Gedanke an die Ghouls. Diese schleimigen Gestalten waren Leichenfresser. Ich hatte sie schön öfter auf alten Friedhöfen erlebt. Wenn es Gänge gab, die zu anderen Gräbern führten und sie miteinander verbanden, hatten sie die perfekten Möglichkeiten, sich ihrer Beute zu nähern.
Deshalb achtete ich auch stark auf den Geruch, denn die Ghouls trieben den Gestank der Verwesung vor sich her. Aber hier roch ich nichts davon.
Ich drehte mich nach links. Die eingeschaltete Lampe machte die Bewegung mit. Der Strahl glitt über die Särge hinweg und strahlte in einen Gang hinein.
Wenig später wunderte ich mich, denn der Tunnel war recht lang und nicht schon nach zwei, drei Metern zu Ende. Das wunderte mich auf der einen Seite, auf der anderen allerdings nicht, denn ich sah auch die Särge, die man in diesen Gang geschoben hatte. Wie auch die ersten beiden waren sie nicht im besten Zustand. Ihr Inhalt war verwest. Aus dem verfaulten Holz ragte mal eine skelettierte Hand oder ein Fuß ohne Haut.
Ich hatte mir die Gruft nicht so groß vorgestellt, aber man hatte eben Platz für die Särge gebraucht und dafür diese Gänge angelegt. Ob das gesamte Areal des Friedhofs untertunnelt war, wusste ich nicht.
Zumindest im Bereich der großen Grabstätten waren die Gänge vorhanden.
Noch war die Luft einigermaßen normal zu atmen. Es floss genügend nach. Im Tunnel würde es anders aussehen, und ich dachte darüber nach, ob ich tatsächlich tiefer in diese Welt eindringen sollte.
Bisher hatte mich nur die offene Tür dazu ermutigt. Aber reichte das aus?
Es musste ausreichen. Die Tür hatte nicht grundlos offen gestanden.
Und man hatte die Steinplatte auch nicht aus lauter Spaß in die Höhe gehievt. Da musste es schon einen Grund geben.
Möglicherweise war für irgendeine Person ein Fluchtweg geschaffen worden. Wenn es stimmte, dass dieser Friedhof unter anderem die Tür zum Jenseits war, konnte ich mich noch auf einige Überraschungen gefasst machen. Dann war auch der Engel nicht so normal, wie wir ihn gesehen hatten.
Es war einen Versuch wert, tiefer in den Tunnel vorzudringen. Ein normales aufrechtes Gehen war nicht möglich, ich musste schon den Kopf einziehen und wusste zudem, dass die Luft immer schlechter werden würde, je tiefer ich ging. Ich machte mich auch auf gewisse Überraschungen gefasst und sah die ersten bereits nach knapp drei Metern.
Zuerst dachte ich, dass sich ein weiterer Gang an der linken Seite auftun würde. Als ich hineinleuchtete, sah ich, dass es sich nur um eine Nische handelte. Gerade breit genug, um drei Särge aufzunehmen, die auf einem Regal übereinander standen. Da war noch nichts zusammengebrochen, weil das Regal aus Eisen bestand.
Nur die Särge sahen entsprechend aus. An den Seiten waren sie aufgebrochen, und was dort hervorquoll, das ließ mich nicht eben jubeln.
Es war eine Mischung aus Knochen und verwestem Fleisch. Durch mein zuckendes Licht waren einige Ratten aufgescheucht worden. Sie huschten aus der Nische, liefen fast über meine Füße und verschwanden in irgendwelchen Löchern oder Ritzen.
Es war eine Totenwelt, in der sich kein Mensch wohl fühlen konnte. Und so fragte ich mich,
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