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163 - Canyon der toten Seelen

163 - Canyon der toten Seelen

Titel: 163 - Canyon der toten Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Schwartz
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Morgenstunden, sobald die ersten Sonnenstrahlen über die Felsen herabkletterten, nach Kräutern und Heilpflanzen suchten. In diesen Momenten waren sie ganz für sich, unbeschwert, und da lächelte das Kind sogar manchmal, und Sandperle konnte es unbemerkt in den Arm nehmen und herzen und kosen, solange sie wollte. Kristallträumer duldete solche Gefühlsausbrüche nämlich nicht, sie weckten nur animalisches Verlangen und lenkten von der wahren Bestimmung des menschlichen Geistes ab. Triebe und Leidenschaft, so seine Ansicht, waren der Beginn des Untergangs und zerstörten die Harmonie zwischen Mensch und spiritueller Welt. Und verhinderten die weitere Entwicklung, die ihnen bestimmt war. Kristallträumer strebte nach der Vollendung, denn nur so konnte das Felsenvolk gerettet werden.
    Der Schamane war ein mächtiger Mann. Er entschied über Leben und Tod, Wohl und Wehe der Sippe.
    Und Sandperle war seine Frau, seine Dienerin, in Demut, wie es ihr bestimmt war.
    Schluchzend sank sie zu Boden, als er endlich von ihr abließ und sich dem Feuer zuwandte, andere Rauschkräuter hineinwarf und im schweren süßlichen Rauch badete.
    ***
    Am nächsten Morgen bequemte Kristallträumer sich endlich, zu seinen »Gästen« zu kommen. Er rief Matt vor den Eingang der Hütte; die anderen folgten auf Distanz. Sie wurden von den bewaffneten Männern und Frauen nicht aus den Augen gelassen.
    Sie hatten eine weitgehend ruhige Nacht verbracht und die Zeit genutzt, um sich ein wenig zu erholen und zu regenerieren.
    Wobei Matt das Gefühl gehabt hatte, dass er, je länger er vor sich hindämmerte, immer teilnahmsloser und schlaffer wurde.
    Er fühlte sich keineswegs kräftiger, sondern eher schwächer, als er im Morgengrauen zu sich kam.
    Bei Chandra war es ähnlich. Sie hatte immer noch Fieber, aber die Wunde sah besser aus. Matt gefielen allerdings die dunklen Wundränder nicht, die seltsam körnig waren. Doch er hatte keine Zeit, mit Windtänzer darüber zu sprechen, denn in diesem Moment wurde nach ihnen gerufen.
    Maya nickte ihm zu. »Rede du mit ihm, wir halten uns hinter dir. Hoffen wir das Beste.«
    Das war leicht gesagt. Matt hatte ein mieses Gefühl, und in solchen Situationen trog ihn das selten.
    Aus der zweiten Hütte traten Ranjen, Samari, Leonie und Elkon Mur. Ihre Gesichter zeigten ausdruckslose Mienen, als ginge sie das alles nichts mehr an.
    Matt fragte sich, ob nicht doch etwas in dem Essen gewesen war, das den Willen lähmte, und war froh, nichts zu sich genommen zu haben – so wie die anderen bei ihm. Obwohl ihn vor allem der Durst schon seit vielen Stunden ausdauernd quälte.
    Kristallträumer stand in der Haltung eines Herrschers vor ihm. Matt bemerkte sofort die keineswegs erfreuliche Veränderung, die mit dem Mann vor sich gegangen war. Was auch immer er in den letzten Stunden getan haben mochte, war kein gutes Zeichen für Matt und die anderen. Kristallträumer war so energiegeladen, dass Matt sich nicht gewundert hätte, wenn er ihm bei Berührung einen elektrischen Schlag versetzt hätte. Er strahlte die lauernde, angespannte Kraft eines Raubtiers aus, das sich auf seinen Sprung auf die Beute vorbereitete. Der Wille war nur noch darauf konzentriert, und der Körper gehorchte, indem er sich zu einem perfekten Zusammenspiel aus Muskeln und Sehnen verwandelte, Energie in sich sammelte und wartete.
    Wie eine bis zum Anschlag zusammengezogene Feder, die auf Erlösung wartete.
    Wie ein Vulkan, der sich auf seinen Ausbruch vorbereitete.
    Dunkle Schatten waren überall an den unbekleideten Stellen von Kristallträumers Körper zu sehen, die an mystische Symbole erinnerten. Sie waren abgewaschen worden, doch ein Teil der Farbe war in die oberste Hautschicht eingedrungen und würde dort noch als verblassendes Abbild sichtbar sein, bis die Zellerneuerung die Schicht abgestoßen hatte. Matt kannte das von Aruula.
    Hinter Kristallträumer standen Sandperle mit Sonnentau an der Hand, und Schnellwasser. Matts Magen zog sich zusammen, als er das müde, leidende Gesicht der zierlichen jungen Frau sah, und die vielen dunklen Flecken an ihrem Körper; einige sahen den verblassenden Symbolen Kristallträumers ähnlich, aber nicht alle.
    In den bernsteinfarbenen Augen des Schamanen lag ein beunruhigendes Glitzern. Matt hatte es schon bei Fanatikern gesehen, und er wusste, dass dahinter eine Wand aus Ignoranz und Intoleranz und gefährlicher Selbstüberschätzung lag.
    Zuvor hatte noch leise Hoffnung bestanden, dass der Mann zu

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