1631 - Die Taiga-Göttin
gleich darauf vorbei, denn zwischen den beiden Wänden schoss das Zweirad hervor. Auf ihm saß ein Mann, der einen Helm übergestreift hatte, sodass sein Gesicht nicht zu erkennen war. Aber die Kleidung stimmte. Der Fahrer trug eine dunkle Jacke, die er nicht geschlossen hatte, sodass die beiden Schöße im Fahrtwind flatterten.
Für uns stand fest, dass sich der Mann auf der Flucht befand. Und er hatte einen Fehler begangen, denn er war viel zu schnell vom Grundstück her auf die Straße gefahren. Er würde die Kurve nur mit großer Mühe schaffen können und war zusätzlich noch von unserem Anblick abgelenkt worden.
»Das ist er!«
Mehr sagte Suko nicht. Er setzte sich aus dem Stand heraus in Bewegung, und Suko war schnell. Ich blieb in den folgenden Sekunden nur Zuschauer, und so sah ich, dass es der Typ nicht schaffen konnte, ihm zu entwischen.
Von der Seite her jagte der Inspektor auf den Roller zu. Genau im richtigen Moment stieß er sich ab.
Der Mann hatte ihn gesehen. Er versuchte noch, schneller zu fahren, doch es war nicht mehr möglich. Plötzlich rollte sein Fahrzeug allein davon, er selbst lag in der Luft und schlug mit den Armen um sich, bevor er auf die Straße fiel.
Unter dem Helm löste sich ein Schrei. Der Roller fuhr steuerlos nicht mehr weit. Nach ein paar Metern kippte er um. Der Motor röhrte noch eine Weile, dann war auch er still, und wir konnten uns um den Mann kümmern.
Das besorgte Suko. Ich schaffte den Roller an den Straßenrand, bevor ich mich um Suko und den Fremden kümmerte.
Suko hatte den Mann voll im Griff. Er hockte auf dem Boden und hielt den Kopf gesenkt. An Widerstand dachte er nicht.
Natürlich hatte der Lärm Neugierige angelockt. Ich wollte sie nicht zu nahe kommen lassen und scheuchte sie weg, nachdem ich mich ausgewiesen hatte. Danach ging ich zurück zu meinem Freund, der dem Mann inzwischen Handschellen angelegt hatte. Er hockte wie ein Häufchen Elend auf dem Boden. Den Kopf hatte er nach vorn gebeugt. Auf seinem Kopf wuchs das dunkelblonde Haar wie ein Busch.
»Und?«
Suko hob die Schultern. »Er hat keine Probleme gemacht und scheint eingesehen zu haben, dass wir am längeren Hebel sitzen.«
»Okay, wir nehmen ihn mit.«
Suko war einverstanden.
»Steh auf!«, herrschte er den Mann an, der sich jedoch nicht rührte.
Für lange Diskussionen hatten wir keine Nerven. Suko zerrte ihn auf die Beine und bekam dafür einen Fluch zu hören. Allerdings in russischer Sprache. Er fragte ihn: »Woher kommen Sie?«
Er sah mich an und schüttelte den Kopf. Ich stellte fest, dass er recht dicke dunkelblonde Augenbrauen hatte. Sie passten zu dem fleischigen Gesicht mit den breiten Lippen.
Wir waren gekommen, um mit Igor Sarow zu sprechen. Stattdessen mussten wir uns mit diesem Mann zufriedengeben, der einfach nicht reden wollte, obwohl wir ihn einige Male ansprachen. Wir gingen zudem davon aus, dass er uns nur hinters Licht führen wollte und er sehr wohl unsere Sprache verstand.
Hier konnten wir nichts erreichen. Es gab allerdings beim Yard Verhörspezialisten, die sich um ihn kümmern würden und die auch seine Sprache verstanden. Mal schauen, ob er sich weiter so verstockt zeigte.
Der Rover stand leider nicht in dieser Straße. Wir mussten um einen Teil des Blocks herumgehen. Suko blieb neben dem Mann. Er hielt ihn zusätzlich in Höhe des linken Ellbogens fest.
Ich rief bei der Metropolitan Police an. Die Kollegen sollten sich um den Roller kümmern und ihn von der Straße holen. Suko und ich hatten andere Dinge vor.
So menschenleer war die Siedlung um diese Zeit nicht mehr. Wir sahen zahlreiche Bewohner, die uns beobachteten.
Einige stellten Fragen, auf die wir knappe Antworten gaben. Der Begriff Scotland Yard reichte meist aus.
Beide waren wir froh, wieder eine Spur gefunden zu haben. Dieser Mann würde uns näher an unser Ziel heranbringen, auch wenn er sich noch verstockt zeigte.
Ich fragte mich auch, was dieser Igor Sarow so Schlimmes getan hatte, dass man ihm auf den Fersen war. Als völlig unschuldig stufte ich ihn nicht ein, aber das würde sich noch herausstellen.
Der Russe trottete neben Suko her. Allerdings blieb er nicht stumm. Hin und wieder sagte er etwas und sprach dabei so leise, dass wir nichts verstanden.
Mit meinen paar Brocken Russisch konnte ich auch wenig anfangen.
Unser Rover kam in Sicht. Das Funksignal öffnete die Türen.
Neben dem Rover blieben wir für einen Moment stehen. Suko wollte mit dem Gefangenen in den Fond steigen,
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