1637 - Der Spuk, der Nebel und wir
anzusehen war schlimm für mich. Zugleich riss ich mich zusammen und konzentrierte mich auf einen Moment, der bestimmt eintreten würde.
Ich hörte Mallmann kichern.
Er genoss seinen Triumph.
Sei’s drum. Ich musste die Nerven behalten und eine bestimmte Situation abwarten.
Und die kam.
Dracula II hatte die Arme etwas über meinen Kopf vorgeschoben. So war es für ihn leichter, die Kette über meinen Kopf zu ziehen. Ich sah, dass das Kreuz vor meiner Brust pendelte und weiter hoch gezogen wurde.
Das war der Augenblick.
Ich hatte all meine Kraft nur auf diesen einen Moment konzentriert. Ich war bereit, die Formel zu rufen, auch wenn ich die Worte nur krächzte.
»Terra pestem tene…«
Von der Seite her traf der Schlag meinen Mund. Es gab kein Wort mehr, das ich noch hervorbringen konnte. Dafür zuckten Blitze durch meinen Kopf, die Stütze verschwand aus meinem Rücken, und ich kippte nach hinten.
Ich wurde nicht bewusstlos. Ich sah alles, wenn ich in die Höhe schaute.
Und ich sah mein Kreuz, das Mallmann mit spitzen Fingern an der Kette hielt und es über meinem Gesicht pendeln ließ.
Er würde sich davor hüten, das Kreuz zu behalten, aber dass er es geschafft hatte, es mir abzunehmen, war das Höchste für ihn.
»Jetzt schau mir zu, Sinclair!«
Es war für mich der große Horror. Eine furchtbare Niederlage. Mallmann ließ die Kette schwingen und schleuderte das Kreuz über seine Schulter nach hinten. Ich hörte es nicht mal aufschlagen, so weit entfernt landete es.
Mallmann triumphierte. Ob er es durch Gesten zeigte, sah ich nicht. Aber seine Worte waren nicht zu überhören.
»Jetzt gehört er euch! Packt ihn! Trinkt sein Blut, so lange ich es will!«
Es war ein eindeutiger Befehl. Keiner würde ihm widersprechen. Auf so etwas hatten sie nur gewartet, und ich hörte ihre Reaktion.
Es war so etwas wie ein krächzender Jubelgeschrei, und mir war klar, dass es jetzt um mein Leben gehen würde…
***
Mallmann verschwand. Er war der Typ, der von der sicheren Seite aus zuschaute, denn noch war seine Zeit nicht gekommen. Die bestimmte er selbst. So konnte er zunächst zuschauen, wie sich die Dinge entwickelten. Ein perverses Vergnügen.
Meine Lage war alles andere als rosig. Ich lag auf dem Rücken. Meine Lippen schmerzten noch vom Schlag des Supervampirs. Sie waren aufgesprungen und ich leckte mir ein paar Tropfen Blut ab.
So konnte es nicht bleiben. Sie würden über mich herfallen wie der Fuchs über die Gänse, und da hatte ich keine Chance.
Zum Glück gab es zwischen ihnen und mir noch einen recht großen Abstand, der sich allerdings bald verringern würde, und das wollte ich auf jeden Fall vermeiden. Ich stemmte mich hoch, damit ich wenigstens saß. Ich hatte auch nicht vergessen, dass die Beretta noch unter mir lag.
Als Erstes suchte ich danach, hatte Glück, als ich sie an meiner rechten Seite entdeckte. Ich brauchte nur zuzugreifen, um sie zu fassen.
Mallmann hatte sie also nicht mitgenommen. Er war so auf das Kreuz konzentriert gewesen, dass er nicht an die Beretta gedacht hatte. So konnte ich wenigstens noch einige dieser Gestalten vernichten, bevor sie über mich herfielen und ihre mörderischen Blutzähne in meine Haut hackten.
Das Kreuz hatte Mallmann ebenfalls nicht mitgenommen. Da er den Blutstein besaß, würde es ihn zwar nicht umbringen, jedoch schwächen.
Für ihn war es wichtig gewesen, dass es sich nicht mehr in meinem Besitz befand. Das hatte er geschafft.
Auch jetzt hatte ich noch unter den Folgen des Kopftreffers zu leiden. Es machte keinen Sinn, wenn ich aufstand und dorthin ging, wo eventuell mein Kreuz lag. Situationen wie diese kannte ich. Ich brauchte Kraft, um auf den Beinen zu bleiben, und die musste ich mir erst holen. Im Moment war ich noch zu schlapp.
Nicht aber, um mich über den Boden zu schleifen. Ich stemmte mich mit den Händen ab und schob mich auf dem Hintern sitzend rückwärts. In dieser Richtung musste mein Kreuz liegen.
Es war nicht leicht. Ich musste Kraft einsetzen. Jede Bewegung begleitete ich mit einem Keuchen. Ich biss die Zähne zusammen, hielt die Beretta eisern fest und starrte den Pulk der Blutsauger an, der sich nicht aufhalten ließ.
Er kam näher und näher…
Ich konnte nicht schneller werden, und ich sah auch nicht, ob das Kreuz bereits in der Nähe lag.
Es kam der Punkt, an dem ich nicht mehr wollte. Irgendwas musste ich tun, um wieder zu Kräften zu kommen. Ich brauchte ein Erfolgserlebnis, und das konnte ich nur durch meine
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