1638 - Leichenspur des Künstlers
Harry trank einen Schluck von seiner Schorle. Ich tat es ihm nach.
»Weintrauben und diese schlimmen Wunden. Viel Blut. Bei der ersten Leiche hat er auch Blumen als Dekoration benutzt. Zusätzlich, meine ich. Das ist alles schrecklich. Wir müssen den Killer finden. Ich will nicht, dass es zu weiteren Taten kommt.«
»Habt ihr denn etwas über das Motiv herausgefunden?«
»Nein, John. Erst bei der dritten Leiche hat es klick gemacht. Da haben wir dein Bild entdeckt.« Harry schüttelte den Kopf. »Der Täter muss dich kennen.«
»Sieht so aus.«
»Aber so recht glaubst du nicht daran - oder?«
Ich hatte meine Zweifel, mit denen ich nicht hinter dem Berg hielt.
»Es ist möglich, das will ich nicht in Abrede stellen. Es muss nur nicht sein, dass dieser Unhold mich persönlich kennt. Er wird von mir gelesen haben, was auch der Artikel beweist, und jetzt hat er sein Spiel in Gang gesetzt. Es kann sein, dass er beweisen will, dass er besser ist als ich. Dass er mich herlocken wollte und…«
Harry Stahl unterbrach mich. »Moment mal, John. Der Killer lebt in Deutschland, du in London. Ihr habt, so denke ich, keinerlei Berührungspunkte.«
»Persönliche wohl nicht.«
»Eben.«
»Aber«, fügte ich hinzu, »denk mal daran, dass wir im Zeitalter der unkontrollierten Medien leben. Er kann sich Informationen aus dem Internet geholt haben. Ich selbst gebe da zwar nichts von mir preis, aber meine Organisation muss Informationen an die Öffentlichkeit bringen. Das ist eben so. Auch wenn unsere Abteilung sich zurückhält, irgendetwas bleibt immer hängen.«
»Okay, John. So könnte man das sehen. Wenn ich es mir recht überlege, läuft alles auf ein Duell hinaus. Er will dich herausfordern, was er auch geschafft hat. Ein Künstler, der der Welt auf eine besondere Weise seinen Stempel aufdrücken will. Würdest du mir da zustimmen?«
»Unbedingt.«
Harry senkte den Blick. »Nur wissen wir nicht, wo wir anfangen sollen. Der Kollege Brenner überprüft alle Künstler, die hier in der Umgebung leben. Oder Menschen, die sich für Künstler halten, was weiß ich. Ich gehe eher davon aus, dass unser Mann kein normaler Künstler ist und sich diesen Begriff angeeignet hat.«
»Durchaus möglich.«
Das Essen wurde gebracht. Als Polizist war man es gewöhnt, auch dann zu essen, wenn die Stimmung nicht eben danach war. So verhielt es sich auch hier.
Die beiden kleinen Schnitzel sahen perfekt aus, überzogen mit einer wunderbaren Panade, und der Salat, der daneben lag, war frisch. Lilly Lechner servierte und wünschte uns einen guten Appetit.
Wir bedankten uns und aßen. Es schmeckte vorzüglich, wobei wir beim Essen nicht über den Fall sprachen. Ausschalten konnte ich ihn jedoch nicht. Dieser Künstler beschäftigte mich gedanklich schon. Vor allen Dingen die Tatsache, dass er einen Artikel über mich auf die letzte Tote gelegt hatte.
Er wollte etwas von mir. Ich sollte wohl zu einem Duell antreten, und die Gründe konnten meiner Meinung nach nicht normal sein. Dahinter steckte etwas anderes.
Ich ging davon aus, dass der Mörder unter Umständen mit der schwarzmagischen Seite Kontakt aufgenommen hatte. Dass er sich und einem anderen Wesen irgendwas beweisen wollte. Mich dabei lächerlich machen und an der Nase herumführen. Und ich fragte mich auch, wann er wieder zuschlagen würde.
»Na, schmeckt es?«
Ich nickte heftig. »Es ist einfach Masse. In Deutschland kann man doch hervorragend essen.«
»Stimmt. Man muss nur wissen wo. Und ich sage dir…«
»Entschuldigung.« Harry Stahl wurde mitten im Satz von einer Frauenstimme unterbrochen.
Wir schauten beide hoch und sahen Lilly Lechner bei uns stehen. Sie hielt ein Telefon in der Hand und erkundigte sich nach einem Herrn Sinclair.
»Das bin ich.«
»Dann bitte.«
Ich legte das Besteck zur Seite und nahm das Telefon entgegen, während die Bedienung verschwand.
Nicht nur ich war überrascht, auch Harry Stahl schaute mich skeptisch an. Wer wusste, dass ich mich hier aufhielt? Okay, beim Yard war man informiert, aber von London aus hätte man auf meinem Handy angerufen.
»Ja…«
Jemand lachte. Nicht normal, sondern hässlich. Es war zudem die Stimme eines Mannes.
»Was wollen Sie?«
»John Sinclair?«
»Na und?«
»Ich darf Sie in meinem Dunstkreis begrüßen. Toll, dass Sie gekommen sind. Mein letztes Kunstwerk hat schon gefruchtet, denn jetzt sind Sie da. Es wird ein tolles Spiel werden. Ein Theaterstück der besonderen Art. Eine Performance, und ich bin
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