1638 - Leichenspur des Künstlers
gefühlt, das war jetzt vorbei. Sie konnte wieder normal nachdenken, und sofort fiel ihr die schreckliche Mordtat ein. Am Morgen und auch später hatte sie nicht so stark darüber nachgedacht, nun aber, da der, Abend nicht mehr zu weit entfernt lag, sah es anders aus. Da spürte sie ein Kribbeln in sich, und sie nahm sich vor, nach Feierabend nicht allein durch die Dunkelheit zu laufen. Da war es besser, wenn Frank, der Barmann, sie begleitete. Das würde er gern tun. Da hatte er wieder eine Gelegenheit, sie anzubaggern. Bisher hatte sie seinen Annäherungsversuchen widerstanden. Ob das auch in Zukunft so bleiben würde, wusste sie nicht.
Lilly Lechner drückte die Kippe aus und schlüpfte aus dem Bademantel.
Aus einem schmalen Schrank, der mehr einem Spind glich, entnahm sie frische Unterwäsche und Kleidung. Die weiße Bluse und den schwarzen Rock. Letzterer nicht zu lang und nicht zu kurz.
Gedankenverloren zog sie sich an. Dabei fiel ihr ein, dass die Krafts nicht da waren. Sie musste die Haustür abschließen, was kein Problem sein würde. Den Schlüssel besaß sie.
Das Fenster schloss sie. Es konnte sein, dass es in der Nacht ein Gewitter gab, und es sollte auf keinen Fall ins Zimmer regnen. Das würde Ärger mit der Wirtin geben.
Diesmal ging es die Treppe hinab. Sie erreichte sie erste Etage.
Die nächste Treppe war breit und mit Gummistreifen an den Kanten versehen. Das alte Holzgeländer zeigte einen grünen Anstrich. Sie passierte eine Wand, die mit Bildern vollgehängt war. Sie alle zeigten Fotografien von der Mosel, die sich durch ihr Bett schlängelte und von den Weinbergen beschützt wurde.
In der unteren Ebene gab es eine recht geräumige Diele. Das wäre ja okay gewesen, wenn die Krafts nicht auf die Idee gekommen wären, sie durch einen gotisch anmutenden Durchgang zu teilen.
Wer auf die Idee gekommen war, den Raum durch künstliches Mauerwerk zu teilen, musste ihrer Meinung nach nicht ganz klar im Kopf sein. Aber es war nun mal geschehen, und jeder Besucher, der tiefer in das Haus ging, musste durch diesen künstlichen Torbogen, der an den Seiten zudem noch bemalt war und Weinlaub zeigte.
Lilly ließ den Torbogen hinter sich und näherte sich der Haustür. Genau in diesem Augenblick klingelte es.
Damit hatte Lilly nicht gerechnet. Sie zuckte zusammen, als die Stille durch den recht schrillen Klang zerrissen wurde.
Die Krafts waren nicht da. Aber ihnen musste der Besuch gelten, denn Lilly erwartete niemanden.
Es war ihre Pflicht, dem Besuchern zu sagen, dass er wieder gehen konnte. Mit diesem Vorsatz im Kopf öffnete sie die Tür - und prallte zurück, denn es stand kein Fremder draußen, sondern jemand, den sie kannte.
»Du?«
Der Besucher grinste. »Ja, ich.«
»Und was willst du?«
»Dich!«
Es war eine Antwort, die Lilly gehört hatte, aber nicht begriff. Sie war deshalb auch leicht durcheinander und wusste nicht, wie sie sich verhalten sollte.
Ihr Besucher schon.
Beide Arme zuckten gedankenschnell vor. Lilly wurde an der Brust getroffen. Der Treffer raubte ihr die Luft. Sie konnte sich nicht fangen, kippte nach hinten und fiel in den Torbogen hinein, wo sie auf dem Rücken landete und hart mit dem Hinterkopf aufschlug…
***
Das Hotel war in der Tat ein Ort, an dem man wunderbar Urlaub machen konnte, aber davon wollte ich nichts wissen. Meine Gedanken drehten sich um etwas anderes, und das machte mich nicht eben glücklich. Ich musste einen Killer finden, einen, der sich selbst als Künstler ansah und nicht als Mörder.
Ich war auf mein Zimmer gegangen. Harry wollte noch mal mit seinem Kollegen Brenner telefonieren. Ich hockte in einem Sessel, trank Mineralwasser und wartete darauf, dass sich Harry wieder meldete.
Er tat es nicht. Verabredet hatten wir uns für den frühen Abend. Da wollten wir dann unsere Runden außerhalb des Hotels drehen und hofften, dabei auf den Killer zu stoßen.
Ich hielt das Handy an meinem linken Ohr und sprach mit Suko, der im Büro saß. Er wusste Bescheid, was mich hier erwartet hatte, und kam natürlich darauf zu sprechen.
»Wie ist es möglich, dass dich der Mörder kennt? Dass er sich für dich interessiert?«
»Ich habe keine Ahnung. Dabei habe ich hin und her überlegt, bin aber zu keinem Ergebnis gekommen.«
»Und jetzt?«
»Werde ich warten. Aber ich wollte dich noch fragen, ob du vielleicht eine Idee hast, was diesen Killer betrifft.«
»Du meinst, ob ich ihn kenne?«
»Das ist zu viel gesagt. Es könnte dir ja einfallen, wo es
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