1639 - Signale aus NGC 6503
Roboter hatten ihn von der Schleuse her geleitet. Der Gleitpod war ein Antigrav-Gerät, das sich um den Unterkörper des Nakken schloß. Paunaros Hautfarbe war ein ölig schimmerndes Blau. Über den Schädel gestülpt war die Sichtsprechmaske, die der Nakk brauchte, um nach der Art „normaler" Wesen sehen und mit ihnen kommunizieren zu können.
Mit 1,70 Meter war Paunaro ein höchst stattliches Exemplar seiner Spezies. Die beiden Fühler, die in Gliederhülsen steckten, waren in ständiger Bewegung, als wollten sie die Umgebung bis in den hintersten Winkel ausloten. Es gab Xenologen, die der Ansicht waren, die fünfdimensionalen Wahrnehmungsfähigkeiten der Nakken seien in den Fühlern lokalisiert.
Grußworte wurden gewechselt. Paunaro war inzwischen im Umgang mit Menschen so geübt, daß er eine formelle Begrüßung etikettegemäß durchführen konnte, obwohl er den Sinn einer solchen Prozedur nicht einsah. Nach den üblichen Höflichkeitsfloskeln kam Myles Kantor ohne weiteres Zögern auf das eigentliche Anliegen der Zusammenkunft zu sprechen. „Es freut uns, daß du uns helfen willst, das Geheimnis der Toten Zone zu ergründen", begann er. „Ich bin überzeugt, daß ein Wesen mit deinen Fähigkeiten das Phänomen der Hyperraum-Parese wesentlich schneller verstehen wird, als es uns möglich ist."
Paunaro antwortete nicht sofort. Wenn man sich mit ihm unterhielt, mußte man ihm immer ein paar Augenblicke Spielraum lassen. Wahrscheinlich brauchte er diese Zeit, um das Gehörte seiner Mentalität entsprechend umzuarbeiten. „Ich gebe eine Erklärung", sagte er schließlich. Er hatte eine erstaunlich volltönende, wohlklingende Stimme, der man nicht anmerkte, daß sie aus einem Synthesizer kam. „Das Problem der Hyperraum-Parese ist komplex. Man muß zuerst studieren, bevor man mit dem Experimentieren beginnt."
Myles Kantor wirkte ein wenig enttäuscht, als er darauf antwortete: „Ich dachte, es läge auch in deinem Interesse, so bald wie möglich eine Plusphase innerhalb der Wechselzone zu verbringen."
Darauf reagierte Paunaro nicht. Das hatten Nakken so an sich.
Es gab Fragen, die sie einer Antwort nicht für würdig hielten.
Im vorliegenden Fall durfte man Panauros Schweigen so interpretieren, daß er auf keinen Fall gedachte, Hals über Kopf in die Wechselzone vorzustoßen. „Ich spreche über Voraussetzungen und Vorbereitungen", begann der Nakk von neuem. „Ihr habt mehrere Welten innerhalb der Wechselzone besucht und dort erstaunliche Beobachtungen gemacht. Diese Beobachtungen will ich kennenlernen. Ihr habt Messungen der Strangeness durchgeführt. Darüber will ich alles wissen. Ich selbst habe im Labyrinth der gleitenden Wirklichkeiten Beobachtungen gemacht und Messungen angestellt. Eure Ergebnisse müssen mit den meinen verglichen werden. Dann erst ist es an der Zeit, einen Flug in die Wechselzone zu unternehmen."
Boris Siankow bat ums Wort, indem er die Hand hob. Myles nickte ihm zu. „In dem Bericht, den Icho Tolot uns hinterließ", sagte Boris, „war zu hören, daß du im Realitätenlabyrinth die Strangeness des Pyramidenprismas gemessen hast. Was kannst du uns darüber erzählen? Welche Erkenntnisse hast du gewonnen?"
Paunaro antwortete, nachdem ein paar Sekunden verstrichen waren, in der für ihn charakteristischen Weise. Er war sich der Schwierigkeiten bewußt, die in der Kommunikation mit Menschen und ähnlichen Kreaturen lagen. Deswegen schickte er jeder Äußerung einen kurzen Satz gewissermaßen als Vorspann voraus, in dem er darlegte, vor welchem Hintergrund seine weiteren Worte zu verstehen seien. „Ich gebe eine Erklärung", „Ich spreche über Voraussetzungen" waren typische Einleitungen. Diesmal sagte er: „Meine Antwort auf die Frage. Ich habe den Strangeness-Wert des Pyramidenprismas innerhalb des Wirklichkeitslabyrinths gemessen und festgestellt, daß er dort gleich null ist."
Soviel hatte man aus der Aufzeichnung, die von Icho Tolot hinterlassen worden war, schon gewußt. Boris Siankow verlangte mehr. „Was schließt du daraus?" erkundigte er sich. „Ich ziehe eine Schlußfolgerung", sagte Paunaro. „Ihr habt die Strangeness des Pyramidenprismas hier in eurer Wirklichkeit gemessen. Der Wert war negativ. Das Pyramidenprisma war in dieser Sphäre ein Fremdobjekt."
Boris horchte auf. War das nicht dasselbe Wort, Sphäre, das er hatte gebrauchen müssen, nachdem Xii-Gien-Qek ihn darauf aufmerksam gemacht hatte, daß es zu früh sei, von verschiedenen Universen zu
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