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1648 - Die Spiegelgeborenen

Titel: 1648 - Die Spiegelgeborenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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im entscheidenden Moment verließ Mila der Mut. Schon als sich die erste Beklemmung bei ihr einstellte, lief sie der Schwester nach und klammerte sich wie eine Ertrinkende an sie. „Tu mir das nie wieder an, Nadja!" flehte sie. Sie unterließen weitere solche Experimente.
    Sie konnten nur froh sein, daß ihre Mutter nicht die Wahrheit über den zerbrochenen Spiegel erfuhr. Denn dies hätte sie in ihrem Glauben, daß die Zwotterfrauen ihre Zwillinge bei der Geburt verhext hatten, nur noch bestärkt. Saira war schon so schlimm genug dran, aber Mila und Nadja durften hoffen, daß sie ihren Aberglauben ablegte, wenn sie erst die Procon-Faust verlassen und eine neue Heimat gefunden hatten. Mila und Nadja waren sicher, daß ihr Cadfael Benek dabei helfen konnte.
    Aber Saira erhielt diese Chance nicht. Sie fand ihr Grab auf dem Planeten, den Cadfael posthum nach ihr benannte. „Wäre der Tod nicht auch eine Lösung für uns?" fragte Mila in ihrem Schmerz, denn irgendwie hatte sie die Mutter gemocht, auch wenn sie nie eine tiefere gefühlsmäßige Bindung zueinander gehabt hatten.
    Aber das war nur so ein flüchtiger Gedanke.
    Milas letzte Erfahrung mit der „Spiegelwelt" war die schlimmste von allen. Und das nicht nur, weil sie noch so wach in ihrer Erinnerung war und sie diese bereits als Erwachsene durchmachte. Damals auf Saira, als sie nach dem Steinschlag in die Krankenstation der Siedlung eingeliefert worden war, hatte sie den Eindruck gehabt, vom Strudel der anderen Dimension endgültig verschlungen zu werden. Es hatte nicht den geringsten Anhaltspunkt zur Realität mehr gegeben, keinen Strohhalm, an den sie sich hätte klammern können.
    Während sie, aus der Sicht der Siedler, in einem bejammernswerten Zustand zu Füßen Cadfaels und Doc Sporns hingestreckt lag, machte sie eine phantastische Odyssee durch, die sie womöglich bis an die Schwelle des Todes brachte. Und alle gesichtslosen Schrecken ihrer Kindheit hatten dabei vor ihrem „dritten Auge" Revue passiert. Nur hatte sie sich diesmal davon nicht mehr so beeindrucken lassen.
    Während ihr diese endlose Wiederkehr ihrer Urängste widerfuhr, stand sie sehr wohl tausend Tode aus. Aber diesmal verdrängte sie ihre Ängste nicht, sondern sie. stellte sich ihnen und versuchte auch später, nach ihrer Genesung, sie zusammen mit ihrer Schwester zu analysieren.
    Das brachte zwar keine endgültigen Antworten, aber es half, die Erlebnisse besser zu verarbeiten. Und auch wenn Nadja und Mila zu keinen neuen Schlüssen kamen und sie bei ihrem Modell von einer „Welt hinter dem Spiegel" blieben, so verhalf diese Aufarbeitung Mila zu einer völlig neuen, realitätsgerechteren Perspektive.
    Es war offensichtlich so, daß Nadja für Mila so etwas wie einen Anker für die Realität darstellte. Löste sich dieser Anker, indem sich Nadja von der Schwester mehr als etwa einen Kilometer entfernte, dann bekamen für Mila die Gesetze einer anderen Dimension Gültigkeit, und ihre normalen Sinne versagten. Sie blieb körperlich zwar weiterhin an die Realität gebunden, doch gewannen gleichzeitig sonst durch den „Anker Nadja" unterdrückte Sinne die Oberhand. Etwas, für das die Bezeichnung „drittes Auge" nicht ganz unpassend war.
    Aus dieser Warte in der anderen Dimension sah Mila die Realität verzerrt, spiegelverkehrt in gewissem Maße. Sie wurde mit Fortdauer dieses Zustandes immer stärker in den Bann der anderen Dimension gezogen und an diese angepaßt.
    Wie das enden könnte, das wollten die Schwestern lieber nicht erfahren. Wie sie diesem Handikap beikommen könnten, das wußten sie ebensowenig.
    Sie hatten sogar die Möglichkeit erwogen, sich deswegen in ärztliche Behandlung zu begeben, hatten sich aber bald wieder dagegen entschieden. Bevor sie die Rolle von exotischen Versuchskaninchen übernehmen wollten, da versuchten sie lieber auf ihre Weise mit diesem Problem fertig zu werden. Solange sie zusammenblieben, durften sie sich als ganz normale Menschen fühlen und waren keinerlei Einschränkungen unterworfen. Vielleicht würde sich mit den Jahren eine Möglichkeit zur Selbstheilung ergeben, oder das Problem löste sich mit dem Alter von selbst.
    Es gab für sie Schlimmeres, als miteinander zu leben. Nadja und Mila hatten einander gern, sie mochten sich. Und ihre neugewonnene Lebensphilosophie erlaubte es ihnen, nicht ausschließlich unter ihrem Handikap zu leiden und sich nicht selbst zu bemitleiden.
    Diese Einstellung gestattete ihnen sogar, Freude darüber zu

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