1648 - Geister der Vergangenheit
Eingangs stehen blieben.
Ich hielt noch immer die Frau fest, die sich ein wenig gefangen hatte. Zumindest atmete sie nicht mehr so laut, aber das Zittern hatte noch nicht aufgehört.
Ich wollte sie beruhigen und sagte mit leiser Stimme: »Ich denke, dass Sie keine Angst mehr zu haben brauchen, Madame.«
»Ja, ja…«, hechelte sie. »Aber die anderen sind da! Ich habe sie gehört, ich habe sie gesehen. Das - das - war einfach grauenvoll…«
»Sollen wir nicht erst ins Haus gehen?«
Zwei Hände krallten sich an mir fest. »Aber da sind sie doch!«
»Wer ist dort?«
»Sehen Sie doch selbst nach!«, schrie sie.
»Das werden wir, keine Sorge.« Da mir die Frau einen leichten Widerstand entgegensetzte, musste ich sie in das Haus schieben. Ich warf dabei einen Blick über die Schulter. Unsere Ankunft war gesehen worden. Auf der anderen Straßenseite standen zwei Bewohner vor ihren Häusern und schauten herüber.
»Alles in Ordnung!«, rief ich ihnen zu. »Sie müssen sich keine Sorgen um Madame Duras machen.« Wenig später hatten wir das Haus betreten, und ich schloss die Tür.
Es war klein und auch übersichtlich. Ich sah Suko auf der Treppe stehen und nach oben schauen. Ich warf einen Blick in die Küche. In einem anderen Zimmer, dessen Tür nicht geschlossen war, ging der Kommissar über einen Holzboden.
Die Tochter war tot, der Mann tauchte nicht auf, und ich glaubte allmählich daran, dass Madame Duras allein im Haus war.
Aber was hatte sie so erschreckt? Warum war sie mir nach dem Öffnen der Tür so von Panik erfüllt in die Arme gefallen? Das musste einen Grund gehabt haben.
Suko ließ die Treppe hinter sich. Als er in meine Nähe kam, hob er die Schultern.
Auch der Kommissar gesellte sich zu uns. Als Martine Duras ihn sah, zuckte sie zusammen wie jemand, der sich vor einem anderen Menschen fürchtet.
Voltaire begrüßte sie mit einem Lächeln und einem Nicken. »Da bin ich wieder, Madame. Ich habe Freunde mitgebracht, die sich auch um den Fall kümmern werden.«
Martine Duras strich ihre roten Haare zurück. »Um - um - welchen Fall denn? Wollen Sie Geister fangen?«, fragte sie. »Sind Sie deshalb hergekommen?«
Ich runzelte die Stirn. »Geister?«, wiederholte ich. »Haben Sie davon gesprochen?«
»Ja, ja!«, schrie sie mich an und presste sich rücklings gegen eine Küchenzeile. »Sie waren hier. Sie - sie waren hier im Haus und wollten mich vernichten.«
»Wann?«, fragte Voltaire. »Bevor Sie kamen.«
Jetzt war ihr Verhalten zu verstehen. Wahrscheinlich waren wir im letzten Augenblick erschienen, um sie vor einem Angriff zu retten. Wenig später, und sie wäre möglicherweise tot gewesen. Die Angst, die dieser Besuch bei ihr ausgelöst hatte, stand noch in ihrem Gesicht geschrieben.
Voltaire schob sich an mich heran. Er wartete, bis sich Martine Duras wieder ein wenig gefangen hatte, und erkundigte sich mit leiser Stimme: »Was ist genau passiert?«
Die Frau warf den Kopf zurück und lachte auf. »Sie waren hier. Ja, sie waren plötzlich hier. Ich habe die Tür nicht geöffnet, und auch die Fenster waren geschlossen, aber sie haben es trotzdem geschafft, in das Haus einzudringen. Es waren ja keine Menschen mehr. Bei Gott, das waren sie nicht. Ich habe zum ersten Mal Geister gesehen«, sagte sie mit einer Stimme, die ihr und uns plötzlich fremd klang. »Das war grauenvoll.«
»Ja, das verstehen wir!«
Mit dieser Antwort des Kommissars konnte Martine Duras nicht viel anfangen.
Nachdem sie Luft geholt hatte, fragte sie mit leiser Stimme: »Sie glauben mir?«
»Ja.«
»Aber warum?«
Voltaire gestattete sich ein Lächeln. »Das ist leicht gesagt. Wir befinden uns auf der Suche nach ihnen, und wir sind davon überzeugt, dass Sie uns mehr sagen können. Danach sieht es wohl jetzt aus, Sie hatten ja Besuch von ihnen.«
Madame Duras sagte zunächst nichts. Sie wischte ihre Hände an der dunklen Jeans ab.
Dann sahen wir ihr Nicken.
»Dann hätten wir gern gewusst, was diese Geister von Ihnen wollten, Madame Duras.«
Sie überlegte, musste sich dabei räuspern und fragte mit leiser Stimme: »Das wissen Sie nicht?«
»Nein, sonst hätten wir nicht gefragt.«
Sie glaubte uns nicht wirklich. Da wir jetzt zu dritt in der Küche standen, glitten ihre Blicke von einem zum anderen. Sie leckte über ihre trockenen Lippen.
Ich hatte mehr den Eindruck, dass sie sich nicht traute, eine konkrete Antwort zu geben. Sie konnte uns auch nicht in die Augen schauen und senkte den Blick.
Ich
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