1649 - Niemals sterben
Mitleidenschaft gezogen, aber er war damit noch längst nicht außer Gefecht gesetzt. Er rutschte nur von mir weg und gab wieder diesen seltsamen Heulton ab.
Dann lag er auf der Straße.
Jane musste nur zwei Schritte gehen. Sie war plötzlich eiskalt, und das musste sie auch sein, als sie die Mündung ihrer Waffe auf die Stirn des Blutsaugers richtete.
Dann schoss sie!
Diesmal gab es keinen Schrei. Die Kugel blieb in dem dicken Schädel stecken, sodass keine Hirnmasse oder Knochensplitter durch die Gegend flogen.
Eines aber stand fest.
Dieser Blutsauger würde keinen Menschen mehr anfallen, er war ein für alle Mal vernichtet, und nur das zählte…
***
Ich saß noch immer am Boden und fühlte mich leer. Völlig schwach und abgeschlafft. Mein Kopf schmerzte, der Rücken ebenfalls, und meine Klamotten waren nass geworden.
Jane hatte ihre Waffe wieder verschwinden lassen und stand jetzt vor mir.
»Frag nicht, wie es mir geht«, sagte ich stöhnend.
»Das hatte ich auch nicht vor.«
Ich grinste säuerlich. »Ach ja, danke, dass du den Vampir erledigt hast.«
Jane hob die Schultern an. »Jemand muss dir ja mal zeigen, wo es lang geht. Ich denke, dass du ihn unterschätzt hast.«
»Nein, das wohl nicht. Ich habe mich nur ablenken lassen. So sehe ich das.«
»Durch was?«
»Frag lieber von wem. Es war Justine. Sie…«
»Ja, sie hat es tatsächlich geschafft, sich auf das Dach des Fluchtwagens zu schwingen. Eine reife Leistung, muss ich dir sagen. Hätten wir nicht geschafft.«
»Du sagst es, Jane. Und was ist jetzt mit ihr?«
»Keine Ahnung, ich bin zu dir gelaufen.« Sie beugte sich tiefer. »Kannst du aufstehen?«
»Mal versuchen.«
Jane streckte mir ihre Hand entgegen. Ich wollte sie nicht nehmen, stützte mich stattdessen am Daimler ab und brachte es aus eigener Kraft fertig, auf die Beine zu gelangen. Eine große Turnleistung hätte ich in meinem Zustand nicht zustande bringen können. Klagen wollte ich auch nicht, ich war es gewohnt, Niederlagen einzustecken.
Zwar war in der Stille der Nacht ein Schuss gefallen, aber der hatte bei den hier wohnenden Menschen nicht viel bewirkt. Niemand hatte das Haus verlassen und war auf die Straße gelaufen, um sich zu informieren.
Nur hinter einigen Fenstern schimmerte Licht. Manchmal bewegten sich dort auch die schattenähnlichen Umrisse eines Menschen.
Der vernichtete Vampir lag so nah am Bordstein, dass er nicht gleich entdeckt werden konnte. Das Licht der nächsten Straßenlaterne leuchtete auch weiter entfernt. Wer hier etwas sehen wollte, musste schon sehr nahe herankommen.
Ich drückte meinen Rücken durch und wandte mich an Jane, die dicht bei mir stand. »Kennst du den Typen?«
»Nein.« Sie beugte sich leicht vor. »Er zerfällt nicht, John. Da gehört er wohl zu den Blutsaugern, die es erst vor kurzem erwischt hat.«
»Ja. Mallmann hat seinen Acker bestellt. Es kommt mir beinahe so vor, als hätte er seine Vernichtung geahnt.«
»Was kein Wunder wäre«, meinte Jane. »Die Vampirwelt hat man ihm genommen. Da muss er doch misstrauisch geworden sein. Die Kraft, sich gegen den Spuk zu stellen, die hatte er nicht.«
Ich ließ mir die Worte durch den Kopf gehen und deutete noch mal auf die Leiche. »Wie schätzt du ihn ein, Jane?«
»Was meinst du damit?«
Wieder musste ich meinen Rücken durchdrücken. »Ganz einfach. Seinem Aussehen nach ist er kein normaler Mensch gewesen. Er macht auf mich den Eindruck eines Freaks.«
»Genauer.«
»Menschen wie ihn trifft man oft in einem Zirkus an.«
Jane murmelte etwas vor sich hin, bevor sie fragte: »Was genau meinst du damit?«
»Na ja, Mallmann hat eben überall seine Prioritäten gesetzt. Die Anzahl derjenigen Vampire, die er hinterlassen hat, wird nicht nur recht groß sein, er hat sie auch verschieden gehalten. Er hat selektiert. Wir können davon ausgehen, dass er sich unterschiedliche Bevölkerungsgruppen vorgenommen hat. Von oben bis unten, wenn ich das mal so platt sagen darf.«
»Könnte möglich sein.«
Ich warf Jane einen ernsten Blick zu und erkannte auch bei ihr die Besorgnis.
»Weißt du, was ich daraus folgere?«
Sie schloss die Augen für einen Moment. »Bitte, ich ahne schon, worauf du hinaus willst.«
»Ja, wir stehen auf keinen Fall besser da. Als er noch vorhanden war, wussten wir, woran wir waren. Da hielt er die Zügel in den Händen. Das ist jetzt vorbei. Wir stehen vor einem Problem. Hier wird nichts mehr geregelt. Die Blutsauger können sich austoben wie die Irren,
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