1649 - Niemals sterben
schaffte er nicht mehr. Ich hörte, dass der Motor ansprang.
Gleichzeitig wurden die Türhälften geschlossen. Beinahe wäre noch die Hand des kleinen Blutsaugers eingeklemmt worden.
Zwei Sekunden später setzte sich der Wagen in Bewegung. Um den kleinen Vampir kümmerte sich niemand.
Der war mir überlassen worden.
Ich achtete nicht mehr so genau auf ihn, weil ich dem Wagen nachschaute und meine Lage verfluchte.
Er hatte ungefähr die Höhe des Hauses erreicht, in dem Jane Collins wohnte, als etwas geschah, womit ich nicht gerechnet hatte. Plötzlich erschien ein Schatten auf dem Gehsteig. Es war eine Gestalt, und sie war verdammt schnell.
Blondes Haar wehte, als sie auf den Transporter zulief, und einen Moment später zeigte Justine Cavallo, was in ihr steckte. Sie hatte schon den nötigen Anlauf genommen. Jetzt stieß sie sich ab und sprang mit einem gewaltigen Satz in die Höhe. Es sah für mich so aus, als wollte sie über den fahrenden Wagen springen, was nicht stimmte, denn sie hatte ihre Aktion offenbar genau berechnet.
Sie landete auf dem Dach des Transporters, ließ sich sofort auf den Bauch fallen, breitete Arme und Beine aus, um einen besseren Halt zu haben, und blieb tatsächlich auf der feuchten Fläche liegen, um die Fahrt als blinder Passagier mitzumachen.
Ich hatte mich von dem Vorgang zu lange ablenken lassen, und das rächte sich.
Erst hörte ich den Schrei, dann traf mich ein Schlag in den Magen, der mich zusammensacken ließ. Ich gurgelte auf, bekam keine Luft mehr, sah aber, wer vor mir stand.
Der kleine Vampir hatte das Maul eines Frosches. Nur die beiden spitzen Zähne stachen hervor. Wenn er schon nicht mitgenommen worden war, wollte er sich zumindest seine Nahrung holen.
Da standen die Chancen verdammt gut für ihn…
***
Die Vampirin Justine Cavallo brauchte keine großen Erklärungen, sie wusste auch so, was da ablief. Als sie aus dem Haus und durch den kleinen Vorgarten rannte, hörte sie das Aufheulen des Motors, und sofort danach setzte sich der dunkle Transporter in Bewegung.
Das sah nach einer Flucht aus, und sie wusste sofort, wer da das Weite suchte.
Sie wurde noch schneller. Nicht umsonst besaß sie Kräfte, die denen eines Menschen weit überlegen waren. Und diese Kraft spielte sie jetzt aus.
Sie musste schnell sein. Schneller als der Fluchtwagen. Von der Seite her hetzte sie auf das Fahrzeug zu. Sie durfte sich jetzt keinen Fehler erlauben und stieß sich nach zwei weiteren Stritten im richtigen Moment ab.
Ihr Körper schnellte hoch. Bevor der Wagen sie passieren konnte, hatte sie die richtige Höhe erreicht und landete auf dem Dach. Es sah so aus, als würde sie an der rechten Seite abrutschen, aber als hätte sie Leim an den Händen, hielt sie sich fest, breitete Arme und Beine aus und blieb so liegen.
Sogar ein wildes Lachen fegte aus ihrem Mund. Ob die andere Seite gesehen hatte, was passiert war, wusste sie nicht. Aber sie würden es bald merken, das stand fest.
Justine wollte nach vorn rutschen und sich dann in Richtung Windschutzscheibe gleiten lassen, um dort ihr Gesicht zu zeigen. Es sollte die perfekte Überraschung für die andere Seite werden. Doch das würde noch dauern. Zunächst musste sie Halt finden.
Auch wenn der Wagen geradeaus fuhr, war er doch einigen Schwankung gen unterlegen, auch bedingt durch das Pflaster, über das die Reifen rollten.
Das Ende der nicht sehr langen Straße würde schnell erreicht sein. Da gab es dann zwei Alternativen. Entweder nach rechts oder nach links. Wurde die Kurve zu scharf genommen, gab es für Justine keinen Halt mehr, denn den Kräften der Schwerkraft musste auch sie folgen.
Schon am Tag herrschte hier wenig Verkehr. Jetzt aber, in der Nacht, fuhr hier niemand entlang. Da konnte der Fahrer das Risiko eingehen, den Wagen ohne zu bremsen in die Kurve zu schleudern.
Sie waren da.
Und dann geschah es.
Der Fahrer oder die Fahrerin drehte das Lenkrad hart nach links, ohne stark auf die Bremse getreten zu haben. Die Gesetze der Physik konnte auch eine Justine Cavallo nicht ausschalten. Auf dem Dach liegend wurde sie in die entgegengesetzte Richtung geschleudert, und es gab nichts, an dem sie sich festhalten konnte, selbst die Regenrinne war zu schmal.
Es kam, wie es kommen musste. Die Cavallo flog über den Rand hinweg.
Ihre Hände rutschten einfach ab, mit den Beinen fand sie auch keinen Halt, und als hätte man ihr zusätzlich noch einen Stoß gegeben, segelte sie der Straße entgegen.
Kein Schrei drang
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