1649 - Niemals sterben
rechts. Die Tür stand so weit offen, dass sie fast die Wand berührte, wo sich der tote Winkel befand. Mit einem Blick war es möglich, sich eine Übersicht zu verschaffen, und Jane hätte zufrieden sein können, als sie die Küche leer sah. Hier hielt sich niemand auf. Alles sah so aus wie immer. Kein Hinweis auf einen Einbrecher.
Oder doch?
Zwei Blätter fielen ihr auf, die feucht auf dem Boden klebten. Die stammten nicht von ihr.
Der Gedanke daran war wie ein Warnschuss im Gehirn. Er kam trotzdem zu spät.
Plötzlich flog etwas auf sie zu. Jane Collins registrierte nicht sofort, dass es sich dabei um die Tür handelte. Und dann war es zu spät. Die Tür traf sie mit voller Wucht.
Während etwas in ihrem Kopf explodierte und sie zurückgeschleudert wurde, war ihr klar, dass der Eindringling im toten Winkel zwischen Tür und Wand gelauert hatte.
Der Aufprall war so heftig, dass Jane gegen die Flurwand prallte, und das war unter Umständen ihr Glück. Wäre sie mit ihrem vollen Gewicht auf den Boden geschlagen, hätte es noch schlimmer für sie ausgehen können.
So rutschte sie an der Wand entlang, hielt dabei die Augen offen und sah das, was vor ihr geschah.
Eine Frauengestalt trat über die Schwelle. Janes Gedanken waren noch soweit fit, dass sie herausfand, um wen es sich handelte.
Es war diese Gilda, um deren Körper eine feuchte Kleidung gewickelt war, die alt und muffig stank.
Jane hielt zwar noch die Beretta fest, nur war sie nicht in der Lage, die Waffe anzuheben. Der Treffer hatte sie nicht nur zu Boden geschleudert, sie war regelrecht paralysiert worden, und dieser Zustand würde noch eine Weile andauern.
Sie war zu einer Beute der Vampirin geworden und rechnete damit, dass diese Gilda ihre Blutzähne in ihren Hals schlagen würde.
Komischerweise tat sie das nicht. Die Gestalt schritt über die liegende Detektivin hinweg und gab ihr nicht mal einen Tritt zum Abschied mit.
Ihr Ziel war ein anderes, und das lag nur ein paar Schritte entfernt. Sie musste die Treppe hinter sich bringen, um an die Person heranzukommen, deretwegen sie hier war.
Die Blutsaugerin hatte ihr eigentliches Opfer nicht vergessen. Es war für ihr Ego wichtig, dass sie sich diese Person holte. Erst dann würde sie sich um die zweite Frau kümmern.
Gilda warf nicht mal einen Blick zurück, als sie die Treppe erreichte und mit langsamen Schritten die Stufen hochstieg. Jetzt gab es kein Hindernis mehr. Sie konnte sich Zeit nehmen und die Vorfreude auf den sättigenden Bluttrank genießen…
***
Ich hörte das leise Lachen der Vampirin und danach ihre geflüsterte Frage: »Bist du bereit, Partner?«
»Lass das Geschwätz.«
Dem Lachen folgte ein Glucksen. Justine Cavallo hatte ihren Spaß. Sie konnte endlich wieder zeigen, was in ihr steckte, und sie würde kein Erbarmen kennen, auch nicht bei ihren eigenen Artgenossen.
Ich hatte die Beretta gezogen. Geweihte Silberkugeln würden die Existenz der Blutsauger vernichten.
Justine hielt offen keine Waffe in der Hand, und sie fragte mit leiser Stimme: »Wie machen wir es? Teilen wir es uns auf, Partner?«
»Ja.«
»Schön. Dann kümmere ich mich um die beiden Kerle. Mach du dich an die Frauen ran.«
Während unseres Gespräches waren wir langsam auf das Quartett zugegangen, das uns Dracula II hinterlassen hatte.
Bei den Blutsaugern stimmten alle Klischees. Die Gesichter sahen blass aus, hohlwangig, doch in den Augen leuchtete so etwas wie eine Gier. Sie wollten das Blut, das in meinen Adern floss, und sie wussten auch, dass sie es sich nur mit Gewalt holen konnten.
Plötzlich bewegten sie sich, und ich nahm an, dass sie unser kurzes Gespräch vorhin verfolgt hatten, denn die beiden weiblichen Wiedergänger konzentrierten sich auf mich.
Sie rückten zusammen, sie schüttelten die Köpfe so hart, dass ihre verklebten Haare flogen, und als sie gingen, bewegten sich auch ihre langen Mäntel.
Ich hätte schon von der Tür her schießen können, ohne sie zu verfehlen.
Das hatte ich mir verkniffen. Ich wollte die Distanz zwischen uns verkürzen und in ihre gierigen Fratzen schauen, wenn ich abdrückte.
Die beiden Blutsaugerinnen blieben zusammen. Bevor ich genau zielte, warf ich einen kurzen Blick nach rechts, wo sich die Cavallo aufhielt.
Sie tat nichts. In einer lässigen Haltung war sie stehen geblieben, die Hände in die Hüften gestemmt, ihr Gesicht mit dem spöttischen Ausdruck mir zugewandt, als wollte sie zuschauen, wie ich mit den Vampiren fertig wurde.
Ein
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