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166 - Sohn dreier Welten

166 - Sohn dreier Welten

Titel: 166 - Sohn dreier Welten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Seidel und Ronald M. Hahn
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fort.
    Die Madaaren versperrten ihm den Weg, aber Daa'tan war schmal und wendig und tauchte unter ihren zupackenden Händen ab. Wieder und wieder rief er nach Narmer, während er sich durch die Menge zwängte. Daa'tan konnte sich ausrechnen, was ihm ohne den Freund und Beschützer in diesem Lager widerfahren würde.
    Und dann sah er ihn.
    Ein Madaare hielt Narmer fest. Der Mann hatte einen flachen, scharfkantigen Stein aus dem Mauerwerk gelöst. Als Daa'tan heran kam, schnitt er Narmer damit die Kehle durch.
    Heißes Blut spritzte Daa'tan ins Gesicht. Tumult brach aus, der Junge fühlte sich herumgestoßen. Die Wächter wurden aufmerksam. Einige kamen herein, um die Sklaven auseinander zu peitschen. Andere griffen nach den Halterungen am Tor und begannen das Fallgitter herunter zu lassen. Kurzfristig bildete sich eine Gasse in der Menge. Daa'tan zögerte keinen Moment.
    Er spurtete los, warf sich mit einen Hechtsprung nach vorn und schlidderte unter den eisernen Torspitzen hindurch.
    Einer der Wachen erwischte ihn am Ärmel. Daa'tan fuhr herum und starrte dem Mann ins Gesicht. Hass brannte in seinen Augen – ungebändigter, mörderischer Hass.
    »Nein!«, fauchte er. Seine ganze Willenskraft lag in diesem einen Wort. Der Tuurk blinzelte unsicher und ließ los. Daa'tan war frei.
    ***
    Quart'ol und Buki'pa umrundeten das Grundstück des Heilers.
    Wie die meisten Gebäude in diesem Viertel von Kara'ki war es von einem hohen Holzzaun umgeben. Schließlich fand Quart'ol ein Astloch und warf einen Blick auf das Grundstück.
    Das Gebäude lag finster im Sternenlicht. Nichts rührte sich darin. Irgendwo auf der anderen Seite des Grundstückes war das Geräusch vieler laufender Füße zu hören. Offenbar hatten Rootaugs Kumpane es doch vorgezogen, sich nicht mit den Ordnungskräften anzulegen.
    Als Quart'ol endlich ein marodes Zaunbrett fand, atmete er auf. »Los, gehen wir rein!«
    »Auf keinen Fall!« Buki'pa schaute sich nervös und zitternd nach allen Seiten um.
    Na schön, er war kein Soldat, sondern Regelverwalter.
    Außerdem hatte er in dieser Nacht an Land mehr Grauenhaftes erlebt als in den hundertzehn Jahren seines Lebens. Quart'ol konnte ihm nicht verdenken, dass er in seine Heimat zurück wollte. Rohheit und Gewalt, Intelligenzen, die sich wegen eines dummen Aberglaubens töteten… Reife Wesen konnten auf Schwachsinn nur mit Sprachlosigkeit reagieren. Oder eben so wie Buki'pa.
    Quart'ol seufzte. Vielleicht war er zu lange in einem Menschen gewesen – aber er empfand anders. Man durfte nicht zuschauen. Wenn es nicht anders ging, musste man auch mal zuschlagen. Wenn man von einem Tyrannen regiert wurde, wanderte man nicht aus. Man blieb im Land und bekämpfte ihn. Wenn man Freunde hatte, die von Tyrannen regiert wurden, musste man ihnen helfen. Man schaute nicht weg.
    Aber waren die Menschen Freunde der Hydriten?
    Laut Buki'pa hatten sie ihre Freundschaft nicht verdient.
    Außerdem waren sie ihm fremd. Er war nicht wild darauf, ihr Freund zu sein. Er konnte auf sie verzichten.
    »Du wirst den Menschen immer ähnlicher«, sagte Buki'pa und schüttelte sich. »Du machst diese eigenartigen Geräusche, die auch die Menschen machen, wenn sie verlegen sind.« Seine Augen blitzten.
    »Ich geh jetzt da rein.« Quart'ol bückte sich und schob sich durch die Zaunlücke. Auf der anderen Seite wuchs hohes Gras.
    Bis zum Haus waren es etwa zehn Schritte. Er duckte sich und schaute sich um. Fast wäre er dabei mit Buki'pa zusammengestoßen, der es sich doch noch überlegt hatte.
    »Was ist?«, wisperte Quart'ol. »Willst du nicht draußen auf mich warten?«
    »Da kommen Menschen«, hauchte Buki'pa und drückte sich an den Zaun. Gleich darauf vernahmen sie das Stampfen lederner Stiefel und die gedämpften Stimmen von Kriegern, die beim Marschieren zum Bärtigen Propheten beteten.
    Als sie vorbei waren, atmete Quart'ol auf. »Komm…«
    Er huschte, das Kurzschwert in der Flossenhand, durch das Gras, das einem Menschen bis an den Bauch, ihnen jedoch fast bis zum Hals reichte. Das Haus war schnell erreicht, und sie umrundeten es. Die Fenster waren alle verschlossen.
    Dicht hinter dem Gebäude rauschte ein Fluss vorbei. Seine schäumende, sich heftig bewegende Oberfläche war den beiden Hydriten ein verlockender Anblick. Sie waren nun fast vier Stunden auf dem Trockenen. Ihre Schuppen lechzten nach Nass.
    »Vielleicht sollten wir die Gelegenheit nutzen, uns ein paar Minuten zu befeuchten, wenn wir mit dem Heiler fertig

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