1661
er der verdutzten Louise zu schweigen, um nicht auf seine Anwesenheit aufmerksam zu machen.
»Mademoiselle«, flüsterte er ihr ins Ohr. »Ich bin auf Veranlassung des Oberintendanten hier, und ich muss mit Euch sprechen. Es ist wichtig!«
Der Spion im Dienste Fouquets zog die junge Frau in den Gang.
»Monsieur, was ist los?«, erkundigte Louise sich besorgt. »Und vor allem, wer seid Ihr?«
Der Spion deutete eine Verbeugung an.
»Isaac Bartet, Mademoiselle, zu Euren Diensten. Ihr habt nichts zu befürchten«, erklärte er, als er das Misstrauen im Gesicht der jungen Frau sah, »ich gehöre zu Euren Freunden, und ich behellige Euch nur, weil ich Euch dringend warnen muss: Ihr seid in großer Gefahr. Ich habe wenig Zeit, Euch die Umstände darzulegen, weshalb ich Euch bitte, mir zu vertrauen und mich nicht zu unterbrechen.«
Louise bedeutete dem Mann, er möge weitersprechen.
»Ich bin im Besitz eines Briefes aus Madrid, adressiert an Henrietta von England, der schwere Anschuldigungen gegen Euch erhebt. In dem Schreiben, das ich glücklicherweise abfangen konnte und von dem ich hier eine Abschrift habe – Ihr könnt später einen Blick darauf werfen –, werdet Ihr angeklagt, im Dienste des spanischen Hofes zu stehen. Der Verfasser des Briefs kommt sogar auf Euer nächtliches Rendezvous mit Ludwig XIV. vor einigen Wochen zu sprechen, dessen Mätresse Ihr geworden sein sollt, mit dem einzigen Ziel, einer Sache zu dienen, die gegen die Interessen Frankreichs gerichtet ist!«
»Aber das alles ist …«, unterbrach ihn die junge Frau erregt.
»Das alles ist falsch, Mademoiselle. Vollkommen falsch. Ihr und ich, wir wissen das. Aber es ist ein gut geplanter Schachzug, und ich fürchte, dass weitere Briefe desselben Inhalts verschickt worden sind, um sicherzustellen, dass die Folgen verheerend sind. Das Interesse, das Seine Majestät Euch entgegengebracht hat, wie auch Eure Verbindung zum Oberintendanten der Finanzen – über den jungen Pontbriand – sind bekannt und irritieren die einflussreichsten Kreise der Regierung.«
Bartet senkte die Stimme.
»Was Euer nächtliches Rendezvous mit Seiner Majestät angeht – vergesst nicht, dass in Versailles die Bäume Ohren und vielleicht auch Augen haben. Selbst wenn Euer Abend keusch geblieben ist, bekämt Ihr die größten Schwierigkeiten, wenn es an die Öffentlichkeit dringt, nicht wahr?«
Louise war am Boden zerstört, nicht nur, weil Isaac Bartet bestens informiert war, sondern vor allem wegen der Verleumdung, die sie erschaudern ließ.
»Mein Gott«, rief sie voll Sorge und biss sich auf die Lippen. »Was soll ich nur tun?«
»Euch schützen, Mademoiselle«, antwortete der Spion. »Ich selbst reise so schnell wie möglich nach Dijon, um den Oberintendanten über dieses Komplott in Kenntnis zu setzen, das sich, so scheint mir, über Euch direkt gegen ihn richtet.«
»Darf ich die Gelegenheit nutzen und Euch bitten, in Vauxhaltzumachen und Monsieur de Pontbriand ein Billett zu übergeben?«, fragte Louise.
»Dann beeilt Euch, ich habe nur wenig Zeit«, antwortete der Spion.
Die junge Frau ließ Bartet stehen, lief in Henriettas Boudoir und setzte sich an ihren Tisch. Auf dem Papier mit dem Wappen ihrer Herrin verfasste sie eine verzweifelte Bitte an Gabriel, indem sie kurz auf das Unheil hinwies, das ihr drohte. »Ich bin in großer Gefahr und weiß nicht, was ich ohne Euch tun soll. Ich flehe Euch an, kommt mir zu Hilfe! Eure Louise.« Die Abschrift des Verleumdungsbriefs, den Bartet ihr ausgehändigt hatte, fügte sie bei.
Sorgfältig versiegelte sie den Brief und überreichte ihn Bartet, der sich eiligst verabschiedete.
Als sie Fouquets Spitzel hinterherblickte, hoffte sie von ganzem Herzen, dass Gabriel kommen und ihr seine Antwort selbst bringen würde. Wem kann man sich in dieser Schlangengrube noch anvertrauen?, fragte sie sich niedergeschlagen. War es möglich, dass man ihr so übel mitspielen wollte? Wieder einmal waren es die Bilder ihrer Kindheit, die sie sich ins Gedächtnis rief, um die Angst zu bekämpfen, die in ihr aufstieg. Bilder, in denen Gabriel an ihrer Seite war …
Bevor sie in den großen Salon zurückkehrte, kniff sich Louise in die Wangen und atmete tief durch, damit sie etwas Farbe ins Gesicht bekam.
»Mach eine gute Figur«, sagte sie sich leise, »lass dir nichts anmerken … Und verlier niemals die Hoffnung.«
Henrietta lächelte erleichtert, als sie sah, dass ihre junge Gesellschaftsdame wieder zur Tür
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