1661
Geruch ihrer blonden Locken und von ihrem zarten Gesicht, das sich an seine Halsbeuge schmiegte. Schließlich trat Louise einen Schritt zurück, warf einen kurzen Blick nach rechts und links und ergriff dann Gabriels Hand, um ihn mit sich ins Haus zu ziehen.
»Wartet, Louise«, sagte er mit einer Spur des Bedauerns in seiner Stimme. »Wir haben nur sehr wenig Zeit. Ich muss unbedingt herausfinden, wie ich dem König einen Brief zukommen lassen kann, der ihn vor der Intrige warnt. Noch ist nichts gewonnen. Unsere Feinde sind auf der Hut, und in den letzten Tagen konnte ich feststellen, dass sie zu allem entschlossen sind.«
Er zog einen Umschlag hervor und gab ihn ihr.
»Habt keine Angst«, fuhr er fort, viel sanfter jetzt, weil ihr Gesicht wieder panische Angst verriet. »Das ist nur eine Sicherheitsmaßnahme. Begebt Euch morgen unter einem Vorwand zur Königinmutter. Und nehmt den Umschlag mit. Es ist eine Abschrift des Briefs, den François d’Orbay an den König geschrieben hat. Er trägt Fouquets Siegel und ist nur für den Fall gedacht, dass unser Vorstoß beim König misslingt. Sollte das geschehen, gebt die Abschrift der Königinmutter, und erzählt ihr, was Ihr von den Drohungen wisst. Bittet sie aber auf jeden Fall um eine Audienz für mich. Es ist sehr wichtig«, drängte er. »Ich erkläre es Euch später, aber ich binim Besitz von Papieren, die von äußerster Wichtigkeit sind. Aber, aber …«, sagte er und strich ihr über die Wange, an der nun eine Träne herabrollte, »Ihr braucht Euch nicht zu fürchten. Es wird sicher alles gutgehen.«
»Ich hatte solche Angst«, antwortete sie und drückte seine Hand. »Ich hatte solche Angst, dass Ihr nicht kommt. So viele Tage ohne Nachricht von Euch. Wo habt Ihr gesteckt, seit Ihr aus London zurück seid?«
Ein Schatten legte sich über Gabriels Gesichtszüge. Sie erschauderte.
»Ihr sagt nichts. Was habt Ihr? Ihr beunruhigt mich … Etwas an Euch ist verändert.«
Gabriel nahm ihr Gesicht in seine Hände.
»Es würde zu lange dauern, Euch das zu erklären. In den letzten Tagen habe ich mehr über meine Vergangenheit erfahren als im Laufe meines ganzen Lebens. Und je mehr Dinge ich erfahre, desto mehr Hindernisse türmen sich vor mir auf …«
»Was wollt Ihr damit sagen? Ich verstehe kein Wort.«
»Ich habe meinen Vater wiedergefunden, Louise. Er ist damals nicht auf seiner Resie nach England ums Leben gekommen …«
Die junge Frau strahlte: »Euren Vater! Das ist doch wunder…«
Als sie den Schmerz sah, der plötzlich in seinen Zügen zu lesen war, blieb ihr das Wort im Halse stecken.
»Er wurde ermordet, Louise, vor meinen Augen. Und ich weiß, wer dafür verantwortlich ist.«
Louises Stimme war nur noch ein Hauch: »Mein Gott, Gabriel, wie schrecklich! Wer …«
»Unsere Feinde sind dieselben. Aber ich werde ihn rächen.«
»Die Hindernisse, die Ihr erwähntet, sind das seine Mörder?«
»Es ist mehr als das. Es steht mehr auf dem Spiel als das Schicksal meines Vaters und das meine. Alles hängt zusammen, Louise, die Drohungen gegen Euch, die Ermordung meines Vaters, wir alle sind Marionetten in einer Intrige, die die Zukunft des ganzen Landes gefährden kann.«
»Ich habe Angst, Gabriel«, sagte Louise und presste sich an ihn.
Gabriel schloss die Augen und schlang seine Arme um die Schultern der jungen Frau. Schweigend blieben sie einen Moment so stehen.
»Es ist vorbei«, fuhr Gabriel fort. »Morgen ist alles vorbei. Jetzt geht wieder hinauf. Und ich, ich reite eiligst nach Versailles.«
Louise zuckte zusammen, als sie den letzten Satz hörte.
»Nach Versailles, ja«, bestätigte Gabriel. »Der König ist auf der Jagd.«
Jagdpavillon von Versailles
Mittwoch, 11. Mai, zwei Uhr nachmittags
»Im Dienste des Oberintendanten oder nicht, ich wiederhole, hier kommt niemand durch!«
François d’Orbay lehnte aus dem Fenster der Karosse und klopfte mit der flachen Hand auf das Wappen mit dem Eichhörnchen, das die Tür zierte.
»Sakrament, ich gebe Euch eine letzte Chance, Eure Worte zurückzunehmen …«
»Wer immer Ihr auch sein mögt«, schnitt ihm der Musketier brüsk das Wort ab, »glaubt nicht, dass man mich damit einschüchtern kann. Der König ist auf der Jagd, und niemand stört ihn einfach so dabei! Heda, junger Mann«, rief er aufgebracht, als er sich plötzlich umdrehte, »seid Ihr taub? Wo wollt Ihr hin?«
Gabriel, der auf der anderen Seite der Karosse herausgesprungen war, lief bereits auf das
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