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1661

1661

Titel: 1661 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Denis Lépée
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Wortes, das wir bewahren. Wie dieses Wort hat Vaux zweierlei Erscheinungsformen: eine offensichtliche, die man vom Ehrentor aus sieht, wenn man auf das Schloss blickt. Und die andere, verborgene, die seine wahre Natur enthüllt.«
    Gabriel war vollkommen gebannt und konnte seine Augen nicht von dem Anblick lösen.
    »Versteht Ihr jetzt?«, fuhr Fouquet fort. »Das Geheimnis, das einen Aufschub Eurer Rache wert ist, verpflichtet nicht nur Euch und mich, sondern das ganze Königreich und noch mehr als das. Das Geheimnis besteht in der Errichtung einer neuen politischen Ordnung. Einer Ordnung, die sich auf Zustimmung gründet und nicht mehr auf Furcht, auf Wahlen und nicht mehr auf Unterwerfung. Einer Ordnung, in der der Souverän nicht mehr im Namen einer höheren Instanz regiert, sondern im Namen der Menschen, die sein Volk ausmachen. Und einer Ordnung, die auf dem Gleichheitsprinzip gründet, in der die Schlösser nicht mehr einen einzelnen Menschen verherrlichen, sondern zu Häusern für alle werden.«
    Gabriel schaute jetzt den Oberintendanten an.
    »Vaux ist das Symbol dafür. In seinem Herzen, unter der Kuppel, wo bald die Sonne unserer Bruderschaft erstrahlen wird, unter den vierzehn Pfeilern, welche die vierzehn Brüder symbolisieren, die diese Suche über Jahrhunderte auf sich genommen haben, wird bald der Kodex liegen, das Fünfte Evangelium. Die Kuppel wurde so konstruiert, dass wir dort am vorgesehenen Datum ideale Bedingungen vorfinden, um den Text zu enthüllen. Und dort werde ich dem König den Beweisvorlegen, der ihn davon überzeugen wird, dass er seine Herrscherwürde auf eine neue Grundlage stellen muss.«
    Fouquet trat einen Schritt vor.
    »Die Sonne haben wir gewählt, weil sie alle Menschen aus der gleichen Perspektive ansieht und jedem Einzelnen von ihnen ihr Licht und ihre Wärme schenkt. Wenn Ihr Euren legitimen Wunsch nach Rache verschiebt, gebt Ihr unserem Vorhaben eine größere Chance auf Erfolg. Die Wahl liegt nun bei Euch. Ihr haltet das Erbe Eures Vaters in Händen. Seid Ihr einer von uns, Monsieur de Pontbriand?«
    Gabriel ließ noch einmal seine Augen über die wunderbare Aussicht schweifen. Dann sah er wieder zum Oberintendanten. Ihre Blicke trafen sich. Der Wind, der sich erhoben hatte, ließ seine schwarzen Haare flattern.
    »So sei es«, antwortete er. »Nennt mir nur noch den Tag, an dem der Text enthüllt wird.«
    Fouquet lächelte. In seinen Augen lag ein seltsam überirdischer Glanz.
    »Der 17.   August«, antwortete er, »der Abend des 17.   August.«

Palais von Philipp von Orléans
    Montag, 9.   Mai, sechs Uhr abends
    »Nicht bewegen, Eure Hoheit, ich beschwöre Euch, haltet bitte still!«
    Der Maler blickte verzweifelt auf Henrietta von England, die künftige Schwägerin Ludwigs XIV.   Sie saß auf einem Stuhl, der mehr als unbequem war, eingezwängt in ein naturfarbenes Prunkkleid, dessen Mieder sie kaum atmen ließ. Ihr künftiger Gatte hatte auf den langen Stunden des Posierens bestanden und den berühmten holländischen Porträtisten Rembrandt Harmensz van Rijn beauftragt, ein Bild von ihr zu malen. Der Künstler fand die Sache recht langweilig, doch das vom Bruder des Königs in Aussicht gestellte Honorar hatte ihn dazu bewogen, diesen Auftrag anzunehmen.
    Wie jeden Tag war auch an diesem Morgen Louise de La Vallière anwesend, damit sie jeglichen Wunsch ihrer Herrin umgehend erfüllen könnte, und wäre er noch so belanglos. Henrietta und die junge Frau aus Amboise waren zu Freundinnen geworden. Mit Vorliebe machten sie sich über die Manien des alten Rembrandt lustig. Insbesondere amüsierte sie seine Aufmachung, die aus einer übergroßen Mütze bestand, zweifellos dazu bestimmt, seinen kahlen Schädel gegen die Kälte zu schützen, und aus einer dicken, mit Farbe verschmierten Hausjacke. Louise sah Henrietta an, die von der Maßregelung des Künstlers ein wenig eingeschüchtert war,und lächelte. Sie dachte an Gabriel. In einem knappen Billett hatte er ihr mitgeteilt, dass er im Gefolge des Oberintendanten nach London gereist war. Seitdem hatte sie nichts mehr von ihm gehört. Die Gespräche mit ihm fehlten ihr. Mehr, als sie sich hätte vorstellen können. Er ist bestimmt schon aus London zurück, dachte sie. Ist nicht der Oberintendant seit einigen Tagen wieder in Frankreich   …?
    Im selben Augenblick betrat Isaac Bartet unauffällig den großen Salon, der für das Porträt in ein Maleratelier umgewandelt worden war. Mit einem Finger auf dem Mund bedeutete

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