1661
eindeutig den verlogenen Charakter des Briefes.«
Colbert nickte und schlug die Augen nieder.
»Wie dem auch sei: Es muss ein Ende haben … Schade, es ist zu spät, um heute noch zu jagen«, schloss er seufzend, den Blick zum Fenster gewandt.
Als Colbert gegangen war, blieb der König noch einen Moment in seinem Kabinett. Er genoss die Stille und Ruhe und ließ die Spannung langsam abklingen, die sich in ihm angesammelt hatte. Zu seiner eigenen Überraschung gestand er sich ein, dass ihm in dieser elenden Sache die Tatsache, dass ein Komplott geschmiedet wurde, weniger wichtig war als die Person des Opfers, Louise de La Vallière. Mehr als die Angst, betrogen zu werden, war es die Angst, dass die Intrige ihn dazu hätte bringen können, die bisher noch zarten Bande zu der jungen Frau abzubrechen, die in seiner Brust ein merkwürdig beklemmendes Gefühl hervorrief. Er erinnerte sich der Lektion, die er erhalten hatte, als er glaubte, dass die Leidenschaft Einzug bei Hofe halten und dass seine Liebe zu Maria Mancini Staatsräson und private Neigungen miteinanderverbinden könnte. Er war auf brutale Weise eines Besseren belehrt worden. Doch damals war er noch fast ein Kind gewesen.
Das ist lange her, dachte er, sehr lange. Er griff zur Glocke und zog so lange an der Schnur, bis jemand den Kopf zur Tür hereinsteckte.
»Papier, Tinte und Feder«, befahl er.
Und angesichts der ungläubigen Miene des Domestiken fügte er hinzu: »Hast du gehört? Ich will nicht diktieren, ich will schreiben, also schnell!«
Schnell. Das Wort drängte sich in seine Gedanken. Er hatte keine Zeit zu verlieren. Morgen würde sie seinen Brief bekommen. So schnell wie möglich wollte er sie sehen. Und sie würde ihm gehören. Zum Teufel mit dem Zaudern, jetzt ist es Zeit für eine Offensive, sagte er sich und ergriff die Feder, die der Kammerdiener ihm eilends gebracht hatte.
»Schick mir einen Laufjungen«, befahl der König dem Diener, der sich rückwärts entfernte.
Jagdpavillon von Versailles
Mittwoch, 18. Mai, Mitternacht
Louise schlief nicht. Mit weit geöffneten Augen hatte sie beobachtet, wie die Kerze erloschen war, die auf dem Tisch neben ihr stand. Wenn sie den Arm ausstreckte, konnte sie das Wachs berühren, das auf den Griff des Kerzenhalters getropft war. Nun lag sie regungslos in der Dunkelheit. Nach und nach gewöhnten sich ihre Augen daran, und sie erkannte die Umrisse, die für einen Moment in der Finsternis verschwunden waren. Durch die halboffenen Fensterläden hörte sie die Geräusche der Nacht. Das dumpfe Rauschen des Waldes erinnerte sie an Amboise. Ein Strahl des Mondlichts glitt flüchtig über den großen Spiegel, der über dem Kamin hing. Sie folgte ihm, bis er verschwunden war, verdeckt durch den Baldachin über ihrem Kopf. Sie ließ ihren Blick über die Laken aus feinem Leinen gleiten, dann über die halb zu Boden gefallene Decke. Am liebsten hätte sie die Hand ergriffen, die neben ihr auf dem Laken ruhte, ihre feinen Finger zwischen die kräftigen Finger gedrängt, die sich selbst im Schlaf zu einer Faust ballten. Sie richtete sich auf, um das Gesicht des Schlafenden zu betrachten, der ihr den Rücken zukehrte. Sie spürte ihr Herz heftig schlagen und lächelte.
»Mein Geliebter«, flüsterte sie und glitt mit dem Zeigefinger über die Rippen des Mannes. »Mein Geliebter, der König von Frankreich.«
Sie unterdrückte ein Auflachen, ließ sich aus dem Bett gleiten und lief auf Zehenspitzen zum Fenster. Sie schob den Vorhang beiseite und betrachtete die Bäume, die sich im Wind wiegten, die vom Mond angestrahlten Wolken, die über den Wald zogen. Dann drehte sie sich um, betrachtete die Karaffe mit Wein und die Gläser, die Stühle, auf denen sie gesessen hatten, auch seine Kleidung, dachte sie, als sie auf seinen Rock trat, den er auf den Teppich hatte fallen lassen. Als sie am Spiegel vorbeikam, schrak sie beim Anblick ihres Spiegelbilds zusammen, musste dann aber lachen über den schamhaften Reflex, mit dem sie ihre Brust verdecken wollte. Sie ging näher heran, senkte die Arme und lächelte ihrem Spiegelbild zu. Als sie ihre Handflächen auf ihren Hüften spürte, befiel sie ein Zittern.
»Das ist die Mätresse des Königs von Frankreich«, sagte sie mit leiser Stimme.
Sie ging zum schlafenden König zurück, zu seinen Händen, deren Liebkosung sie noch immer auf ihrem Rücken, auf ihren Beinen spürte. Sie errötete, als sie an seine derben Worte dachte, an seine gierigen Küsse, die
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