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1661

1661

Titel: 1661 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Denis Lépée
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beinahe wie Bisse waren, an den Schwindel, der sie ergriffen hatte, als seine Hand sie berührte, an die ihr fremde Leidenschaft, die sie fortgetragen hatte. Sie hielt inne, als sie sah, dass der Schläfer sich im Traum bewegte, und wartete, bis er wieder ruhig dalag.
    Sie hätte nur gern gewusst, wovon er träumte, nach seinen Worten sehnte sie sich nicht, jetzt nicht, auch nicht nach seinen fast brutalen Gesten, die sie gleichermaßen erschreckt und entzückt hatten. »Louise« – er hatte ihren Namen mit einem Ernst ausgesprochen, wie sie es bei ihm noch nie erlebt hatte, und ihr gesagt, wie groß seine Angst gewesen war, sie zu verlieren. Jetzt müsse sie sich aber keine Sorgen mehr machen, denn er würde sie beschützen, und kein Feind könne ihr jemals wieder gefährlich werden; »auch kein treuer Freund«,hatte er hinzugefügt und für einen Augenblick die Überheblichkeit gezeigt, die so oft aus seinem Blick sprach.
    Ach, möge dieser Augenblick doch ewig dauern! Vor einer Woche war ich fast verloren, und nun bin ich die Herrin im Schlafzimmer des Königs, dachte sie überschwänglich und spielte mit dem Nippes, der die weiße Marmorplatte der Kommode zierte. Wann werde ich es Gabriel sagen? Sofort bereute sie ihren Gedanken. Das Blut schoss ihr ins Gesicht. Nein, Gabriel dürfte es niemals erfahren! War sie verrückt? Sicher, er hatte sie gerettet, aber   … »In einem anderen Leben«– das waren die Worte, die ihr in den Sinn kamen. Gabriel de Pontbriand hatte die kleine Louise de La Vallière gerettet. Aber die kleine Louise, dachte sie, als sie genüsslich wieder unter die noch warmen Laken glitt, die kleine Louise gibt es nicht mehr!

Paris, Faubourg Saint-Martin
    Donnerstag, 19.   Mai, elf Uhr abends
    Die Frau warf einen missbilligenden Blick hoch zum Mond, der ihren Schatten auf den Gartenzaun warf. Rasch zeichnete sie mit dem Zeigefinger etwas in die Erde, wischte die Buchstaben aber sogleich wieder aus, wobei sie mit kehliger Stimme einige Worte vor sich hin murmelte. Sie richtete sich auf, spuckte in die Hände und begann das Loch zuzuschaufeln, das sie unter einem Busch gegraben hatte und in dem nun unförmige, in bräunlichen Stoff gewickelte Bündel lagen. Nach der letzten Schaufel Erde schlug sie mit der Rückseite des Spatenblatts noch ein paar Mal darauf, um den Boden zu glätten.
    Sie stemmte die Hände in die Hüften, um wieder zu Atem zu kommen, bevor sie sich mit einem an ihrem Gürtel befestigten Lappen die Stirn abwischte. Auf ihre zerzausten Haare, die ihr an den Schläfen klebten, achtete sie nicht weiter. Sie nahm ihren Spaten und ging zu der offen stehenden Hintertür ihres kleinen Hauses, als sie plötzlich eine Kutsche auf dem holprigen Straßenpflaster heranfahren hörte. Sie blieb stehen und hielt kurz den Atem an, um sich zu vergewissern, dass sich hinter dem Geräusch nicht eine Patrouille der nächtlichen Wachmiliz verbarg. Nein, es ist nur
sie
; und so pünktlich, dachte sie hämisch und hastete zum Haus.
    »Ich komme, ich komme«, antwortete sie, wütend über die Schläge gegen die Tür. »Nicht so laut!«
    Die Tür öffnete sich quietschend. Die Silhouette einer Frau zeichnete sich gegen das Mondlicht ab. Sie trat in den Raum, der als Wohnzimmer diente. Vom Kaminfeuer fiel ein Schein auf den Holztisch mit den zwei Bänken. Über dem Kamin und an den Wänden standen auf Regalen merkwürdig geformte Flaschen zwischen Zauberbüchern und Schachteln aus Holz oder Blech. Der Fußboden aus ockerfarbenen Steinen war von feuchten Flecken übersät.
    Olympia Mancini schlug die Kapuze ihres Capes zurück und hatte Mühe, die aufsteigende Übelkeit ob des ekelhaft süßlichen Geruchs zu unterdrücken, der im Raum hing.
    Die Hausherrin beobachtete sie schweigend, mit einem verschlagenen Ausdruck im Gesicht, während sie fortfuhr, sich die von Erde verschmutzten Hände mit dem Tuch an ihrem Gürtel abzuwischen.
    »Was kann ich für Euch tun, Madame?«, fragte sie im freundlichsten Ton, zu dem sie fähig war. »Wenn Ihr in einer Verlegenheit seid, aus der meine Kunst Euch befreien kann   …«, fuhr sie fort und schielte offenkundig auf die Hände der jungen Frau, die diese über ihrem Bauch gekreuzt hatte.
    Olympia musterte sie mit hochmütigem Blick.
    »Darum handelt es sich nicht. Ich dachte, Eure Zauberkünste wären eher hellseherischer Natur«, versetzte sie in scharfem Ton.
    Die Frau duckte sich unter der Anklage.
    »Madame«, stammelte sie, »das war so dahingesagt  

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