1661
Königinmutter und beobachtete verstohlen das Gesicht des jungen Mannes.
»Ich weiß es nicht, Majestät«, log Gabriel. »Ich weiß nur von dem Unheil, das wiederholt über mich hereingebrochen ist, seit sie in meinem Besitz sind. Mein Eindruck ist, dass diejenigen, die diese Papiere suchen, zu allem bereit sind, um sie zu bekommen!«
»Wer außer Eurem Vater und Euch hat sie in der Hand gehabt, junger Mann?«
»Niemand, Majestät, dafür verbürge ich mich!«
»Wie könnt Ihr Euch dessen so sicher sein?«, erwiderte die Königinmutter. Ihr Gesicht verdüsterte sich mit einem Mal.
Gabriel entschloss sich, alles auf eine Karte zu setzen und Anna von Österreich zu berichten, was er wusste und wie er in den Besitz der Papiere gekommen war. Er erzählte bis ins kleinste Detail von den Überfällen, deren Opfer er geworden war. Er berichtete, wie sein Vater umgekommen war, ohne allerdings die Mörder und ihren Auftraggeber beim Namen zu nennen. Auch die anderen Papiere erwähnte er mit keinem Wort.
»Ich danke Euch für Eure Offenheit, mein Kind«, sagte die Königinmutter, als er mit seinem Bericht zu Ende gekommen war. »Die Existenz dieser Schriftstücke muss auf immer geheim bleiben. Euer Vater hat offenbar mit seinem Leben dafür bezahlt, dass er sie in seinem Besitz hatte. Um Eurer Sicherheit willen rate ich Euch, diese Papiere zu vergessen!«
Während Gabriel, berührt von der Würde und Selbstkontrolle, welche die Herrscherin bewies, aufstand und sich vor der Mutter des Königs verneigte, hatte diese sich ihrerseits erhoben, um ihren Besucher, was ganz ungewöhnlich war, bis zur Tür zu begleiten.
»Mein Junge«, sagte sie in plötzlich liebevollem Ton, »wasIhr getan habt, werde ich nicht vergessen. Von nun an, darauf könnt Ihr Euch verlassen, steht Ihr unter meiner Protektion. Sagt Mademoiselle de La Vallière, ich bin ihr unendlich dankbar, dass sie Euch zu mir geschickt hat.«
»Darf ich es wagen, Euch um etwas zu bitten, Majestät: Hättet Ihr die große Güte, auch Mademoiselle de La Vallière unter Euren Schutz zu nehmen? Um die Wahrheit zu sagen, habe ich momentan mehr Angst um sie als um meine eigene Zukunft«, antwortete er mit düsterer Miene. »Ich habe Grund zu der Annahme, dass hochgestellte Persönlichkeiten, davon einige aus Eurem Umkreis, ihren Untergang herbeiführen wollen.«
»Himmel, Monsieur, welche Neuigkeit! In meinem Umkreis, was soll das heißen?«
»Olympia Mancini, Majestät«, antwortete Gabriel mit gedämpfter Stimme.
Die Königin wurde nachdenklich.
»Es ist gut, Monsieur. Ihr seid erhört worden. Ich werde auf Eure Worte achtgeben. Das ist wenig, alles in allem, verglichen mit dem, was ich Euch schulde. Aber denkt Ihr niemals an Euch selbst?«
Gabriel verbeugte sich erneut, sagte aber nichts. Er verließ den Raum leichteren Herzens und sagte sich, dass er recht daran getan hatte, diesen Vorstoß zu wagen.
Anna von Österreich bat darum, allein gelassen zu werden. Langsam ging sie zu ihrem Sessel zurück und nahm das Bündel Papiere zur Hand. Blatt für Blatt sah sie alles genau durch.
Es fehlt nichts!, sagte sie sich. Dank des Muts und der Treue der Pontbriands werden diese Hunde dem vergeblich hinterherjagen.
Die Mutter des Königs erhob sich und ging zum Kamin.An diesem schönen Frühlingstag war die Feuerstelle leer. Anna von Österreich klingelte und befahl, dass man ein Feuer entzündete. Geduldig sah sie zu, wie der Diener hantierte, und wartete, bis er sich wieder entfernt hatte. Dann kam sie gemessenen Schritts näher und warf die Papiere in die Flammen. Als das getan war, trat sie ein Stück zurück.
Während ihr Ehevertrag mit Kardinal Mazarin und der Beweis der Abstammung Ludwigs XIV. im Kamin des Schlosses von Dampierre in den Flammen aufgingen, weinte die Königin still vor sich hin.
Schloss von Vincennes
Donnerstag, 26. Mai, drei Uhr nachmittags
»Die Rosen sind treue Freundinnen, Monsieur Colbert, und schweigsame Begleiterinnen.«
Colbert deutete ein Lächeln an, von dem er glaubte, dass es freundlich wäre, und roch an der Blume, die Anna von Österreich abgeschnitten und ihm überreicht hatte.
»Das sind in der Tat zwei Eigenschaften, die ich aufs Äußerste zu schätzen weiß, Madame«, sagte er und verneigte sich.
Gemächlichen Schritts spazierten Anna von Österreich und der neue Intendant der Finanzen durch den Garten, um dessen Gestaltung die Königinmutter sich selbst gekümmert hatte, im Schatten des Turms, in dem sich ihre
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