1661
das, obwohl es sich nur um einen bescheidenen Sekretär ohne Position und Macht handelt.«
Colbert steckte den Schlag ein, biss die Zähne zusammen und nahm Abschied.
Die Königinmutter sah ihm nach, wie er wutentbrannt davoneilte.
»Gott, wie angenehm ist dagegen die Gesellschaft der Rosen«, zischte sie zwischen zusammengebissenen Zähnen.
Vincennes, Privatgemächer Anna von Österreichs
Freitag, 27. Mai, vier Uhr nachmittags
Da sie die Anfälle von Melancholie kannte, die Henrietta von England beim Herannahen ihrer Hochzeit mit dem Herzog von Orléans heimsuchten, hatte Anna von Österreich die junge Frau mit ihrem gesamten Gefolge für den Nachmittag eingeladen. Die Damen, die um die Mutter des Königs herum Platz genommen hatten, lauschten Monsieur Lully, der sie am Cembalo mit einer seiner neuen Kompositionen erfreute.
»Welch ein Talent!«, rief Anna von Österreich aus und applaudierte laut, als der Musiker zu Ende gespielt hatte. »Eure Musik ist eine Erquickung für Körper und Seele. Das hat mir Appetit gemacht«, sagte sie fröhlich und klatschte der Dienerschaft, die an jeder Seite des Haupteingangs postiert war. »Bringt heiße Schokolade mit Zimt, ich möchte den Damen die göttlichen Kakaobohnen zu kosten geben, die wir dem guten Monsieur Colbert verdanken«, fügte sie in weniger liebenswürdigem Ton hinzu.
Louise de La Vallière hielt sich bescheiden im Hintergrund. Sie hoffte, sie könnte bei dem Empfang der Königinmutter dafür danken, dass sie ihrer Bitte um eine Audienz für Gabriel so schnell entsprochen hatte. Olympia Mancini war in ihrer Eigenschaft als Oberhofmeisterin der Königinmutter ebenfalls anwesend. Sie beobachtete unauffällig die versammelten Damen, insbesondere aber Louise de La Vallière. Das Ende dermusikalischen Darbietung erschien dieser günstig, um sich bemerkbar zu machen.
»Madame, dürfte ich um das Privileg bitten, Euch einen Augenblick zu sprechen?«, fragte Louise de La Vallière und knickste vor der Mutter des Königs.
»Aber sicher, mein Kind«, antwortete die Herrscherin und zog sie am Arm zu einer Fensteröffnung.
»Majestät, gegen mich ist eine schreckliche Intrige angezettelt worden«, begann die junge Frau aufgeregt. »Man will mir meine Ehre nehmen aus Gründen, die ich nicht kenne.«
Könnte es an deiner Beziehung zum König liegen?, dachte die Königinmutter, ließ sich aber nichts anmerken von dem, was sie wusste. Immerhin, sagte sie sich, Ludwig hat einen guten Geschmack, das Fräulein ist hübsch; überdies scheint sie nicht dumm zu sein. Wenigstens wird sie ihn Maria Mancini vergessen lassen.
»Ich versichere Eurer Majestät«, fuhr Louise fort, »meine Treue zur königlichen Familie, und ich bitte Euch, den Schändlichkeiten keinen Glauben zu schenken, die manche unter die Leute bringen!«
»Eure Ergebenheit der königlichen Familie gegenüber ist mir nicht entgangen«, antwortete Anna von Österreich mit einem Anflug von Perfidie. »Keine Angst, Mademoiselle, ich bin über die Niederträchtigkeiten im Bilde, und die Klatschgeschichten beeindrucken mich nicht. Solange Ihr Euren Platz einzunehmen wisst, findet Ihr in mir eine Freundin!«
Erleichtert fiel Louise in einen respektvollen Knicks. Sie senkte die Augen, um ihre Verwirrung zu verbergen.
»Eure Schokolade, Majestät.«
Olympia kam herbei und brachte beiden Frauen eine Tasse des heißen Getränks. Sie hielt die erste der Königinmutter hin, die sie lächelnd entgegennahm. Dann wandte sie sich um und bot Louise die zweite Tasse an.
»Nein, nein, ich bitte Euch, die ist für Euch«, sagte Louise und wies mit einer höflichen Geste die Tasse zurück. Sie war verdutzt, dass sie gegen alle Regeln der Etikette von der Oberhofmeisterin bedient wurde.
»Ach kommt«, sagte Olympia und hielt ihr erneut die Tasse hin, diesmal mit einem breiten Lächeln.
Louise nahm die Tasse und hob sie zum Trinken an ihre Lippen, als die Königinmutter sie mit einer Handbewegung davon abhielt.
»Einen Augenblick, meine Liebe. Gestattet Ihr einer alten Frau eine Laune? Eure Schokolade scheint mir viel cremiger zu sein als meine. Erlaubt Ihr, dass ich Euch um Eure Tasse bitte? Ich habe eine sträfliche Leidenschaft für den wunderbaren Milchschaum.«
Sprachlos vor Erstaunen folgte Louise ihrem Wunsch.
»Aber …«, stotterte Olympia, »Majestät …«
»Was gibt es?«, fragte die Königinmutter in schroffem Ton und sah Olympia durchdringend an.
Diese schwieg in deutlich zu bemerkender
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