1661
Frankreich hat wirklich keine Minute für sich!«
»Langsam, mein Sohn«, antwortete Anna von Österreich mit einem Lächeln und setzte sich auf den kleinen Holzstuhl, der am Fußende der Badewanne stand. »Ihr habt recht, es ist lange her, doch ich erinnere mich, dass ich schon einmal bei Eurem Bad zugegen gewesen bin, und zwar zu Zeiten, als Ihr Euren Kopf noch nicht allein über Wasser halten konntet.«
Der König lächelte nun auch.
»Aber leider komme ich heute nicht, um mit Euch über vergangene Zeiten zu plaudern. Wenn ich mich dieser ungewöhnlichenVorgehensweise bedient habe, so ist es allein deswegen, da ich absolut vertraulich mit Euch sprechen muss.«
Der König richtete sich noch mehr auf.
»Ihr beunruhigt mich, Madame. Worum handelt es sich?«
An der gerunzelten Stirn ihres Sohnes konnte die Königinmutter erkennen, wie angespannt er war.
»Seid unbesorgt. Ich komme nicht, um Euch mit Bemerkungen über Euren Lebenswandel zu langweilen, und auch nicht, um von Eurer Frau zu erzählen.«
Die Miene des Königs verdüsterte sich noch mehr.
»Ihr kennt meine Einstellung dazu. Ich habe Euch zusammen mit Seiner Eminenz das Nötige dazu gesagt, als es um seine Nichte ging, und ich komme nicht darauf zurück, so unangenehm die Gerüchte auch sein mögen, die mir zu Ohren kommen.«
»Man lästert viel, Madame, selbst in den Mauern meines Palastes«, grollte der König in einem Ton, der klar zum Ausdruck brachte, dass er nicht die Absicht hatte, das Thema zu vertiefen. »Ihr selbst seid oft genug verleumdet worden.«
Einen Moment lang sahen sich Mutter und Sohn durchdringend an.
»Sicher, mein Sohn«, fuhr Anna von Österreich fort. »Man lästert viel, Ihr habt recht. Doch es gibt Schlimmeres. Man schmiedet Komplotte. Und man versucht zu morden. Selbst in den Mauern Eures Palastes.«
Der König erbebte bei diesen Worten, die ihn sehr an seine Unterhaltung mit Colbert vor nicht allzu langer Zeit erinnerten.
»Wie? Was sagt Ihr?«
Anna von Österreich erhob sich und ging zum Fenster.
»Die Wahrheit, Ludwig. Man hat versucht, eine der Gesellschaftsdamen der künftigen Frau Eures Bruders zu vergiften. In meinen Gemächern.«
Der König öffnete den Mund, um zu antworten, doch kein Laut kam über seine Lippen. Es schien ihm plötzlich, als wäre das Wasser um ihn herum zu Eis geworden. Ohne ihn anzusehen, fuhr die Königinmutter mit ihrer Anklage fort.
»Um ein Haar hätte die junge Frau den Tod gefunden, nur ein Wunder hat sie gerettet. Wie bleich Ihr seid!«, merkte sie beiläufig an, als sie sich umdrehte. »Ich glaube übrigens, dass der Name der jungen Person Euch nicht unbekannt ist: Louise de La Vallière.«
Der König erhob sich und griff nach einem Handtuch, das ein Kammerdiener ihm reichte.
»Das genügt, Madame. Versucht nicht, klüger als ich zu sein«, unterbrach er sie kühl. »Ich verstehe sehr wohl, was Ihr sagt, und auch das, was Ihr nicht sagt.«
»Dann handelt, Sire«, entgegnete die Königin im gleichen Tonfall. »Egal, was Euch mit ihr verbindet und was ich als Mutter, Schwiegermutter und Christin verurteilen muss. Was allein zählt, ist Folgendes: Indem man auf sie abzielt, attackiert man Euch, und das kann ich als Königinmutter nicht hinnehmen. Ihr müsst durchgreifen, mein Sohn, und zwar sofort. Ihr müsst diese junge Frau retten, die Ihr in Gefahr gebracht habt, dazu seid Ihr moralisch verpflichtet. Da es um Euren Ruhm und Eure Autorität geht, verpflichtet Euch nicht zuletzt auch Eure königliche Würde dazu.«
In sein Handtuch gehüllt, betrachtete der König mit einer neuen Gefühlsregung die ernste, würdevolle Gestalt seiner Mutter und fand in ihren aufrichtigen Worten das wieder, was sein ganzes Leben bestimmt hatte.
»Ihr habt recht, Madame«, sagte er lediglich.
Die Königinmutter hob den Zeigefinger.
»Eine Sache noch, mein Sohn, bevor ich Euch zu Euren Pflichten zurückkehren lasse. Niemand weiß etwas von dem Vorfall, mit Ausnahme meiner unmittelbaren Umgebung unddes Urhebers dieser Schandtat. Das darf Euch nicht daran hindern zu handeln. Die Schuldigen werden den Grund ihrer Bestrafung begreifen, und wer es nicht begreift, bekommt Angst, was gut ist. Jedenfalls solltet Ihr wissen, dass ich von einem jungen Mann, den ich für ehrenhaft halte und der mir einen großen Dienst erwiesen hat, eine Auskunft erhalten habe, die Eure Hand führen muss.«
»Sprecht, Madame«, antwortete der König.
»Meine Oberhofmeisterin Olympia Mancini hat aus mir unbekannten
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