1661
und auf dem Platz aufgestellt, zwei kupferne Mörser und sechzig taugliche Schiffslafetten. Sehr schön!«, sagte Colbert genießerisch und wandte den Kopf zu Charles Perrault, der vor seinem Arbeitstisch stand. »Aber wie zum Teufel habt Ihr es fertiggebracht, dieses Verzeichnis aufzustellen?«
»Um mir Zutritt zu der Insel zu verschaffen, habe ich ein Schiff an die bretonische Küste geschickt, mit einem Weinhändler aus La Rochelle und zehn Fässern an Bord. So konnten sie ungehindert die Schutzvorrichtungen passieren, die das Anwesen des Oberintendanten umgeben. Der Wein hat ihnen dann die Zungen gelöst«, fügte der Polizeichef mit dem Ausdruck falscher Bescheidenheit hinzu.
Colbert vertiefte sich genüsslich wieder in die Lektüre des Berichts, den Perrault auf seine Veranlassung hin erstellt hatte.
»Siebenhundertsechzig Musketen aus Sedan, achthundertzehn aus Lüttich, ein paar Karabiner, elfhundertsiebzig Granaten, zehntausendsechshundertdreiundsiebzig Kugeln aller Kaliber … Mein lieber Perrault, Eure Genauigkeit beeindruckt mich und … beunruhigt mich«, rief der frühere Buchhalter aus. »Wie könnt Ihr Euch der Zahlen so sicher sein?«
»Der Mann, den ich zur Belle-Île gesandt habe, hat eine wahre Meisterleistung vollbracht. Unter dem Vorwand, es ginge um den Handel mit Eisenwaren, konnte er den Buchhalter des Forts überzeugen. Die in diesem Bericht aufgeführte Liste ist die genaue Abschrift derjenigen, die letzten Monat für den Herrn Oberintendanten der Finanzen angefertigt wurde!«
»Hervorragend!«, meinte Colbert nur und nahm seine Lektüre wieder auf. »Und all das soll nur für die Ausrüstung der Schiffe bestimmt sein oder der Verteidigung der kolonialen Handelsposten dienen? Ich wusste es! Unter dem Deckmantel des Seehandels stellt Fouquet eine wahre Armee auf, dabei herrscht im Königreich Frieden«, sagte er und legte die Papiere wieder auf seinen Schreibtisch. »Seine Liegenschaften auf Belle-Île, die ihm so sehr ans Herz gewachsen sind, sind nicht dazu gedacht, Amsterdam Konkurrenz zu machen, wie er behauptet. Vielmehr errichtet er einen richtigen Militärstützpunkt, der ihm im Bedarfsfall als Rückzugsbasis dienen kann!«
»Ich schätze die Zahl der Arbeiter, die augenblicklich an den Befestigungen der Insel arbeiten, auf tausendfünfhundert«, erklärte Perrault, als er sah, dass der frühere Sekretär des Kardinals seinen Bericht durchgelesen hatte. »Meinem Spion zufolge scheint es an Geld nicht zu mangeln. Allerdings wird der Name Fouquet nie genannt. Die Inselbewohner sprechen vielmehr vom Herrn von Belle-Île! Was die Zahl der Bewaffneten angeht, soweit man sie vor Ort sieht, so schätzt unser Spion sie auf zweihundert.«
Als er diese Zahl hörte, lachte Colbert auf.
»Für mich ist es völlig klar, und mit Eurem nun vorliegenden Bericht haben wir den Beweis, Perrault. Unser Mann behauptet von sich, er sei ein einfacher Reeder und bestrebt, reich zu werden und die Wirtschaftskraft Frankreichs zu stärken. In Wirklichkeit aber bereitet er sich auf etwas ganz anderes vor.«
»Wollt Ihr damit sagen, dass …«
»Ich will sagen, dass ich für den Amtsmissbrauch noch weitere Beweise benötige. Ich werde eine solide Grundlage für einen Prozess schaffen, dessen Auswirkungen Euch überraschen werden«, teilte Colbert ihm vertraulich mit. »Ich vertraue Euch, Perrault. Ich kenne Eure Ergebenheit dem König gegenüber und Eure unverbrüchliche Treue. Und ich weiß, dass ich bei einer heiklen Mission auf Euch zählen kann!«
Charles Perrault nahm das Kompliment dankend an und verbeugte sich respektvoll.
»Die Lage ist ernst. Meiner Meinung nach wird das Königreich düstere Stunden erleben, wenn wir nicht handeln. Der Moment ist günstig, der Oberintendant der Finanzen, hat man mir gesagt, leidet wieder unter einem Malariaanfall. Er hat sich kürzlich mitsamt Familie und Gefolge in sein Schloss in Vaux-le-Vicomte zurückgezogen. Führt Euch diskret in Saint-Mandé ein, stöbert dort alles auf, was Ihr könnt und was Euren Bericht untermauert! Handelt alleine und umsichtig«, fügte Colbert mit einem geheimnisvollen Lächeln hinzu.
Der Auftrag verunsicherte den Polizeichef, gleichzeitig schmeichelte ihm aber das Vertrauen, das Colbert in ihn setzte. Charles Perrault verbeugte sich tief und zog sich wortlos zurück.
Colbert sah dem Polizeichef lächelnd nach, wie er sein Arbeitszimmer verließ. Dann schaute er durch das offene Fenster, durch das warme
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