1661
Gründen Hass und Eifersucht gegen Mademoiselle de La Vallière genährt. Sie ist der Arm, da bin ich sicher. Was den Kopf angeht, so zittere ich, weil ich nicht umhinkann zu glauben, dass es Euer eigener Bruder ist. Ich zittere, weil ich mir dann eine Mitschuld geben müsste, dass ich ihn von keiner seiner furchtbaren Verirrungen abhalten konnte …«
»Das genügt, Madame«, unterbrach sie der König mit sanfter Stimme. »Ich kenne meine Pflicht, und ich kenne den Herzog von Orléans zu gut, als dass ich nicht seine Schwächen wie auch seine Qualitäten einschätzen könnte.«
Die Königin stimmte wortlos zu. Als sie an ihrem Sohn vorüberging, strich sie mit ihren Fingern leicht über seine Wange.
»Wie ist der Name des jungen Mannes, der so schwere Anschuldigungen erhebt?«, hielt der König sie auf der Schwelle zurück.
»Er hat mir gesagt, er hieße Gabriel de Pontbriand, und er gehört zu Monsieur Fouquet.«
Der König sah schweigend zu, wie sie den Raum verließ, und unterdrückte mühsam einen Wutschrei. Louise! Sie hatten es gewagt! Obwohl er ihr versprochen hatte, sie zu schützen. Wie töricht er gewesen war! Seine Macht war nichts. Seine Mutter hatte recht. Sie sollten vor ihm erzittern! Er durfte einfach niemandem trauen.
Sein Schmerz verwandelte sich langsam in Zorn, der nur von der Überraschung über den Namen des jungen Mannes in Zaum gehalten wurde, dem Louises Rettung zu verdanken war.
»Pontbriand«, murmelte er nachdenklich, »und wieder Fouquet …«
Dann kochte das Blut in seinen Adern, und sein Zorn brach sich Bahn.
»Fürchten, sie werden mich fürchten«, knirschte er, und unter dem ängstlichen Blick der Kammerdiener, die keine Frage zu stellen wagten, verließ er das Zimmer. »Ich werde sie alle zermalmen! Ich bin der König, ich will keine Ratschläge mehr, keine Hilfe, keine Unterstützung!«
Tränen der Wut brannten in seinen Augen.
»Ihre bloße Gegenwart erniedrigt mich, die eines jeden.«
Wie sein Pate ihm fehlte. Sogar das Gesicht seiner Mutter erschien ihm wie eine Beeinträchtigung seiner Macht.
»Bin ich etwa ein Kind, dem man die Augen öffnen muss? Die Ratschläge meiner Mutter, das Geschick des Oberintendanten! Zum Teufel mit meinen Vertrauten! Ich bin der König.«
Als er bemerkte, dass er mit lauter Stimme gesprochen hatte, warf er dem Ersten Kammerdiener einen niederschmetternden Blick zu.
»Kleide mich an«, befahl er schroff. »Und man schaffe Colbert unverzüglich her.«
Palais des Tuileries
Samstag, 28. Mai, drei Uhr nachmittags
Ludwig XIV. konnte sich nicht beruhigen. Er lief in seinem Kabinett auf und ab und brüllte seinen Bruder an.
»Verehrter Herzog, nehmt Folgendes zur Kenntnis: Ich dulde nicht länger, dass am Hofe von Frankreich Komplotte geschmiedet werden. Die Zeiten, in denen ein jeder in den Fluren dieses Palastes seinen finsteren Machenschaften nachgehen konnte, sind definitiv vorbei. Habt Ihr mich verstanden? Vor-bei«, schrie Ludwig XIV., »auch für Prinzen von Geblüt.«
»Aber …«
»Es gibt kein Aber! Für wen haltet Ihr Euch eigentlich, dass Ihr es wagt, meine engsten Vertrauten anzugreifen? Ihr seid ein Untertan des Königreichs wie jeder andere, und ich verlange von Euch den gleichen Gehorsam und den gleichen Respekt meiner Person gegenüber, sonst …«, schimpfte der König. In seinem Zorn packte er seinen Bruder an der Hemdkrause, bis dessen Gesicht sich auf der Höhe seines eigenen befand.
Der Herzog von Orléans erbleichte, so schwer lasteten die Anschuldigungen auf ihm.
»Ihr müsst eins begreifen, ein für alle Mal«, fuhr der Souverän fort, nachdem er ihn wieder losgelassen hatte. »Indem Ihr Louise de La Vallière attackiert, habt Ihr mich angegriffen.Wenn ich mich verhöhnen ließe, wäre es der Staat, der erniedrigt würde. Um Euer Ziel zu erreichen und Eure Verwicklung in dieses Komplott zu verbergen, habt Ihr es für richtig gehalten, Olympia Mancini vorzuschicken …«
»Aber …« Der Herzog von Orléans machte einen weiteren schüchternen Versuch, etwas zu sagen.
»Philipp, hört auf, mich bei jedem Satz zu unterbrechen«, schnitt ihm der König das Wort ab. »Die Informationen, die ich von der Königinmutter erhalten habe, wurden mir von Colbert bestätigt. Ich hatte ihn beauftragt, die Sache zu untersuchen. Ihr habt zu Unrecht angenommen, meine Zuneigung zu den Nichten des Kardinals ginge so weit, dass ich dieses Verbrechen verzeihen würde. Olympia verdient hundertmal den Tod. Aus
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