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1661

1661

Titel: 1661 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Denis Lépée
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Kutsche machte ihn offenbar schläfrig. Auch Colbert schloss die Augen. Er lachte in sich hinein, als ihm all die ordinären Leute wieder in den Sinn kamen, die sich in dem überheizten Theater zusammendrängten. Die armen Irren, dachte er voller Groll, so viel vergeudete Zeit für ein Stück, das die Ankündigung keine acht Tage überleben wird! Und über diesem Gedanken schlief auch er ein.
     
    Von den drei Nichten des Kardinals trugen zwei noch den Namen Mancini. Alle drei hatten ähnliche Roben gewählt, die sich nur durch die Farbe voneinander unterschieden – grün die von Maria, rot die von Hortensia und golden die von Olympia. Mit ihrer schweren Lockenpracht, die im Nacken zusammengebunden war und das Oval ihrer Gesichter umschmeichelte, boten sie ein so verwirrendes Schauspiel, dass es auf den ersten Blick aussah, als wären sie allesamt Nachbildungen ein und derselben Form. Nur bei genauem Hinsehen konnte man die Besonderheit jeder Einzelnen erkennen: die weichen Gesichtszüge Marias, der Jüngsten, deren Liebesbeziehung zu Ludwig XIV. die Klatschspalten gefüllt hatte; die elegante Melancholie Hortensias, der Lieblingsnichte des Kardinals und der Schönsten von allen, und das entschiedene Auftreten Olympias, die die blasseste Haut besaß. Ihre Kälte hatte den ganzen Hofstaat das Fürchten gelehrt. Wen ihr Blick traf, der vergaß niemals wieder das dunkle Feuer ihrer Pupillen, dieses Flackern, mit dem sie das Verhalten, die Blicke und das Lächeln der Menschen um sich herum verfolgte. Auch ihre Schwestern bedachte sie oft mit Blicken, von denen man nicht sagen konnte, ob sie beschützend oder bedrohend waren. Bewunderndes Gemurmel und kurz darauf bedrückendes Schweigen, da die Menge sich an ihre Verwandtschaft zu Frankreichs Erstem Minister erinnerte, begleitete die drei, alssie die Freitreppe zum Eingang emporschritten. Erhobenen Hauptes betraten sie das Theater, grüßten mit einem leichten Kopfnicken ihnen bekannte Gesichter und begaben sich dann geradewegs zu der Loge, die ihr Onkel noch nie benutzt hatte. Der Saal war fast gefüllt und die Spannung spürbar. In den Logen wurde geflüstert – eine Geräuschkulisse, die durch die spontanen Rufe aus dem Parkett, wo das Volk saß, noch verstärkt wurde.
    »Sieh nur, Olympia, wer ist denn die junge blonde Person in dem königsblauen Kleid?«, fragte Hortensia ihre älteste Schwester. »Dort   … die Dame, die gerade Monsieurs Loge betreten hat«, setzte sie hinzu und deutete mit ihrem Fächer diskret hinüber zur Loge des Herzogs von Orléans.
    »Ich bin nicht blind«, erwiderte Olympia trocken.
    Die Nichte des Kardinals war dem Volk unten im Parkett zuvorgekommen, das einen Augenblick länger brauchte, bis ihm die Gegenwart einer Unbekannten in der Loge des königlichen Bruders auffiel. Dann aber ging ein Raunen durch den Saal, das die Aufmerksamkeit der Theaterbesucher sogar von dem herabgelassenen roten Vorhang ablenkte.
    Die junge blonde Frau merkte nichts von all den Blicken. Den Kopf leicht gebeugt, strichen ihre Finger zart über den dunklen Samt ihres Kleides. Sie schien ganz in ihre Gedanken versunken zu sein. Im Schein der silbernen Kandelaber, die an den Wänden der Logen angebracht waren, stand ihre weiße Haut in lebhaftem Kontrast zu dem dunklen Rot ihrer Lippen. Die hohen Backenknochen über den schmalen Wangen verrieten ihr jugendliches Alter. Ihre hochgesteckten blonden Haare betonten die feinen Linien ihres Nackens. Bei jedem Atemzug sah man sie am Halsansatz leicht erschaudern, dort, wo die Paspeln ihres Kleides den grazilen Kurven folgten. Ihre ganze Gestalt strahlte Eleganz und Vitalität aus. Als sie schließlich doch bemerkte, dass alle Augen auf sie gerichtet waren,schrak sie zusammen und errötete leicht. Schnell erhob sie sich, raffte ihre bauschige Robe und huschte aus der Loge, um sich der Aufmerksamkeit des Publikums zu entziehen. Die ungeheure Spannung im Saal ließ nach.
    Olympia Mancini verzog hochmütig das Gesicht.
    »Das ist die kleine Gans, die eine Laune in das Haus der künftigen Gattin von Monsieur geführt hat.«
    »Wie schön sie ist«, meinte Maria bewundernd.
    Ihre älteste Schwester maß sie mit einem finsteren Blick.
    »Wisst Ihr auch, wie sie heißt?«, fragte Hortensia.
    Olympia sog verärgert die Luft ein, als die drei Gongschläge ertönten, die den Beginn der Vorstellung ankündigten. Eilig begannen die Saaldiener, die Kerzen in den großen Kandelabern zu löschen.
    »Man hat mir gesagt, sie heiße

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