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1661

1661

Titel: 1661 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Denis Lépée
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erbleichte, drehte sich entrüstet zu seinen Zechkumpanen um und wandte sich dann wieder an Gabriel.
    »Ich werde dir eine gehörige Tracht Prügel verabreichen, du Halun…«
    Er kam nicht dazu, seine Drohung wahrzumachen, denn Gabriel entriss ihm blitzschnell den Stock und wirbelte ihn durch die Luft, wobei er den Mann seitlich am Kopf traf. Ganz benommen fiel er hintenüber auf den Hosenboden und fand sich auf dem schlammigen Straßenpflaster wieder. Stöhnendfasste er sich ans Ohr, aus dem Blut auf die nun völlig schief sitzende Perücke tropfte.
    Die Claqueure zögerten einen Moment, bevor sie sich über ihn beugten, um ihm aufzuhelfen, sichtlich besorgt wegen der Folgen, die dieser Zwischenfall auf die Großzügigkeit ihres Wortführers haben könnte. Gabriel nutzte die Gelegenheit und stürzte mit Julie zum Bühneneingang, wo er den Stock von sich schleuderte, der dem korpulenten Mann am Boden mitten auf den Bauch fiel. Dann schlug er die Tür zu.
    Draußen erhob sich Gabriels Gegner mühevoll. Leise fluchend stieß er seine Gefährten beiseite, die auf ihn einredeten, sich das nicht gefallen zu lassen, und hinkte dann, ein Taschentuch an sein blutendes Ohr gepresst, zu einer etwas entfernt stehenden Kutsche.
    »So ein Schwein«, sagte Gabriel, der durch ein Guckloch hinausgespäht hatte, und drehte sich zu Julie um, die noch immer am ganzen Körper zitterte. Sie lächelte ihn dankbar an.
    »Was für ein schrecklicher Abend! Danke, Gabriel, aber du bist wirklich verrückt. Weißt du denn nicht, wer dieser Mann ist?«
    »Ich weiß nur, dass er ein Rüpel ist, der eine Lektion verdient hat.«
    »Der kleine Provinzler, der den Ritter spielt!«, rief Julie lachend. »Wenn du Schauspieler werden willst, musst du klüger vorgehen.«
    Er schaute sie erstaunt an.
    »Das war Berryer, eine Kreatur von Jean-Baptiste Colbert. Und der ist wiederum der Vermögensverwalter von Kardinal Mazarin und ein Mann, den man fürchten muss. Für einen Komödianten ist er ein höchst gefährlicher Feind.«
    Gabriel zuckte mit den Achseln.
    »Berryer? Ihr habt Euch mit Berryer geschlagen?!«
    Abgespannt und mit geröteten Augen stand Molière plötzlich im Hemd vor seinem Sekretär. Er packte ihn im Nacken und schüttelte ihn liebevoll.
    »Armer Narr«, sagte er, nicht wissend, ob er zornig werden oder lachen sollte. »Habt Ihr eine Ahnung, wen Ihr da gerade provoziert habt? Nein   …? Nun, ich will es Euch sagen: Das war der Auftraggeber der Claque, die für die Pfiffe heute Abend verantwortlich war. Einer von denen, die alles daransetzen, dass wir scheitern, weil wir ihrer Ansicht nach nicht auf der richtigen Seite stehen.« Er seufzte und ließ Gabriel los. Freundschaftlich puffte er ihm in die Seite. »Und das an dem Punkt, an dem wir jetzt angelangt sind   … Ich weiß, dass die Freunde von Monsieur Colbert mich nicht gerade lieben. Es ist nicht so, dass ihnen meine Stücke missfallen, nein, aber dass wir dafür Geld bekommen, das ist ganz und gar nicht nach ihrem Geschmack   … Nun ja   … Kopf hoch, meine Freunde«, sagte er, als er die bekümmerten Mienen der beiden jungen Leute sah, »darum werden wir uns morgen kümmern. Was allerdings Euch betrifft,
monsieur le secrétaire,
so bitte ich mir in Zukunft weniger Ritterlichkeit und mehr Eifer in der Buchhaltung aus!«
     
    In einer der letzten Karossen, die noch auf dem Platz standen, neigte sich eine junge Frau zu ihrer Nachbarin.
    »Louise, woran denkt Ihr?«
    Louise de La Vallière wandte den Blick von dem Platz vor dem Bühneneingang ab, den sie in den letzten Minuten nicht aus den Augen gelassen hatte.
    »Ach, an nichts«, sagte sie und ließ den Vorhang vor ihrem Fenster fallen, wobei sie lächelnd ihren hübschen Kopf schüttelte, »an nichts.«

Mont-Louis
    Sonntag, 6.   Februar, gegen zehn Uhr abends
    Seit gut einer Stunde liefen die vier in schwarze Umhänge gehüllten Männer schon am Seineufer entlang. Es schneite inzwischen in dicken Flocken. Vor Kälte zitternd, gingen sie einer hinter dem anderen, in einer fast schnurgeraden Reihe, schweigend immer weiter gen Norden in Richtung der Mauern, welche die Grenze zwischen der Stadt und dem Umland bildeten. Der kleine Trupp wurde von einem großgewachsenen Kerl angeführt, der einen riesigen Stoffsack an sich presste.
    »He, du, wohin so eilig des Weges? Soll ich dich nicht ein bisschen wärmen?«, ließ sich auf einmal eine bebende Stimme vernehmen, die offensichtlich zu der Hand in dem zerrissenen

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