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1661

1661

Titel: 1661 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Denis Lépée
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wirklich lieben soll«, deklamierte Doña Elvira mit leiser Stimme.
    »Und was auf Erden kann denn meiner Liebe gleichen,   / Welch Feuer kann die Glut des meinen noch erreichen?«, antwortete der Fürst von Navarra, dargestellt von Lagrange.
    Molière schien nicht zuzuhören. Geistesabwesend hatte er die Augen auf die Deckengemälde des frisch renovierten Theaters gerichtet, das der König ihm zugewiesen hatte, nachdem der Verwalter der königlichen Schlösser, Monsieur de Ratabon, pünktlich zu Beginn der Spielzeit 1660   /   61 den Abriss ihrer vorherigen Spielstätte, des Petit Bourbon, verfügthatte. Diese Ehre ließ ihn des Nachts manchmal in kalten Schweiß ausbrechen. Konnte er sich der neuerlichen Gnade würdig erweisen? Trotz des Erfolgs seiner Farce ›Der verliebte Arzt‹, die ihm die Gunst des Königs wie auch dessen jüngeren Bruders, Philipps I. von Bourbon, eingebracht hatte, und seinem Triumph mit ›Die lächerlichen Preziösen‹ fürchtete sich Molière vor der Uraufführung von ›Don Garcia von Navarra‹. Zwei Abende zuvor hatten zahlreiche Pfiffe die öffentliche Generalprobe begleitet. Er wurde das dunkle Gefühl nicht los, dass es sich dabei um eine organisierte, geschickt im Saal verteilte Claque gehandelt hatte. Wer könnte mir so etwas antun wollen?, fragte er sich grübelnd. Oder will man womöglich   … über mich ja auch jemand ganz anderen treffen? Nicolas Fouquet kam ihm in den Sinn, sein großzügiger Mäzen. Vielleicht ist es Zeit, dass ich mich nach einer anderen Protektion umsehe, dachte Molière und wandte sich wieder seiner Schauspieltruppe zu, die inzwischen am Ende des ersten Akts angelangt war.
    Unten in seinem Refugium träumte unterdessen auch Gabriel mit offenen Augen. Sein Kopf auf den verschränkten Armen, mit denen er sich auf dem Bühnenrand aufstützte, sann er den Versen nach, die er kurz zuvor noch deklamiert hatte, und empfand dabei eine Mischung aus freudiger Erregung und wehmütiger Erinnerung. Während er sich vornahm, den Theaterdirektor bei der erstbesten Gelegenheit um eine weitere Chance zu bitten, sein Können unter Beweis zu stellen, spürte er unter seinem Stiefel plötzlich einen flachen Gegenstand. Neugierig kniete er sich in dem engen Souffleurkasten nieder und entdeckte eine granatfarbene Schreibmappe. Ein komischer Ort, um seine Papiere aufzubewahren, sagte sich Gabriel kopfschüttelnd und hob die lederne Mappe auf. In diesem Moment riss ihn Molières Stimme aus seinen Gedanken.
    »Los, los, meine Lieben! Wenn wir bis heute Abend fertig werden wollen, dürfen wir nicht trödeln!«
    Instinktiv steckte Gabriel die Mappe unter sein weites weißes Hemd, fest entschlossen, ihren Inhalt in seiner Kammer zu untersuchen.
    »Nun   …«, sagte der Meister zu den Schauspielern, die in angstvoller Spannung darauf warteten, dass er ihnen sein Urteil über den ersten Akt verkündete. »Ihr seid besser geworden. Endlich haben meine Worte gefruchtet, und ihr habt euch die Seelengründe meiner Figuren zu eigen gemacht. Versucht nun, sie mit echten Gefühlen zu beleben. Wir fangen in einer Stunde wieder an. Wir müssen jetzt den Arbeitern Platz machen, die das verdammte Glasdach reparieren wollen. Das Publikum soll sich heute Abend neben allen möglichen Nörgeleien nicht auch noch über die Kälte beschweren.«
    Glücklich, dass ihr Theaterdirektor seine gute Laute wiedergewonnen hatte, verließen die Schauspieler den Saal und begaben sich in die Logen, wo sie sich eine kurze, aber wohlverdiente Ruhepause gönnten.
    »Ihr bleibt hier, Gabriel! Wir beide haben zu arbeiten«, sagte Molière zu seinem Sekretär, als dieser behände aus seinem Souffleurkasten kletterte. »Wir müssen schnellstens die Abrechnung über die Ausgaben des Ensembles machen. Ich möchte sie in den nächsten Tagen dem Oberintendanten der Finanzen vorlegen. In den unruhigen Zeiten, die sich ankündigen, ist es entschieden klüger, das Eisen zu schmieden, solange es noch heiß ist.«

Theater im Palais-Royal
    Sonntag, 6.   Februar, gegen sieben Uhr abends
    Die Menge drängte sich um das Theater. Fröhlich und buntgemischt setzte sie sich aus allerlei Händlern, Gauklern und Schaulustigen zusammen. Die sich dort versammelt hatten, zumeist einfaches Volk, warteten auf ihr eigenes Schauspiel: die Ankunft der hohen Herren und Damen des Hofes. Jeder wollte ihre Roben und Gesichter sehen, viele hofften insgeheim auf milde Gaben in Form von ins Gedränge geworfenen Münzen. Plötzlich ging ein

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