1661
mich stattder täglichen Sorgen ein Anblick erwartet, der mich sehr erfreuen wird.«
Einen Moment lang schien Fouquet in Gedanken versunken, seine gleichmäßigen Gesichtszüge waren entspannt, seine grünen Augen halb geschlossen. Sein junger Sekretär, der ihm gegenübersaß, brach das Schweigen.
»Robillard, Le Vau und Le Brun sind schon dort. Nur Puget fehlt, er ist unterwegs, um den Marmor zu beschaffen, über den wir gesprochen haben. Er …«
»Gut, sehr gut«, unterbrach ihn der Oberintendant der Finanzen. »Wir werden das vor Ort sehen, wenn wir die Gärten besichtigen … Von Seiner Eminenz gibt es also noch keine Neuigkeiten?«
»Der Kurier müsste uns spätestens in Vaux einholen, Monsieur. Ich habe Befehl gegeben, dass uns der bei Tagesanbruch geschriebene Bericht unverzüglich überbracht wird und man gegebenenfalls auch die Schreiben aus den königlichen Gemächern mitschickt.«
Fouquet nickte beifällig und wandte sich dann lächelnd an den Architekten, der neben ihm vor Kälte bibberte.
»Sagt, Monsieur d’Orbay, ist es noch weit bis zu Eurem Eispalast? Euer Schwiegervater, Monsieur Le Vau, ist vom Warten sicherlich schon steif gefroren, bevor wir bei ihm eintreffen.«
Der vierte Fahrgast schmunzelte.
»Wirklich, Nicolas, was für eine Idee, Euer Vaux … Wisst Ihr, dass Ihr das Schloss Seiner Exzellenz beinahe in Neu-Frankreich hättet bauen müssen, Monsieur d’Orbay?«, ließ er sich dann in klagendem Tonfall vernehmen. »In Québec oder Sainte-Louise …«
Nun schmunzelte auch Fouquet.
»Lasst es gut sein. Monsieur d’Orbay, wenn ich Euch einen Rat geben darf: Meidet den Umgang mit Dichtern, zumindestverzichtet auf jede ernsthafte Unterhaltung. Ich jedenfalls wüsste nicht, wie ich meine Pflichten erfüllen könnte, wenn Monsieur de La Fontaine mich nicht von Zeit zu Zeit für eine Weile in Ruhe ließe.«
»Macht Platz für den Oberintendanten der Finanzen, Platz da!«
Die Karrosse mitsamt Gefolge hatte plötzlich angehalten. Aufgeregte Schreie waren zu hören, Pferde wieherten. Fouquet hob den Vorhang, der sie vor Blicken schützte und ein wenig die eisige Luft abhielt, und spähte hinaus. Sein Blick verfinsterte sich, als er sah, wie die Soldaten seiner Eskorte die Leute anbrüllten.
»Das sind die Steinmetze. Sie transportieren die Blöcke, die wir für die Fertigstellung des Eingangsportals benötigen«, erklärte d’Orbay.
»Was soll das Gebrüll? Können wir nicht einfach warten, bis sie vorbei sind?«, knurrte Fouquet und ließ den Vorhang wieder fallen. »Haben wir es so eilig? Dass wir uns dauernd so selbstherrlich geben müssen! Wahrscheinlich wollen sie, dass ich mich bei allen unbeliebt mache.«
Langsam fuhr die Karrosse mitten durch den Trupp leise murrender Arbeiter und klapperte dann über das frisch verlegte Pflaster einer Allee mit jungen Kastanienbäumen.
»Sie sind gewachsen«, stellte Fouquet mit Genugtuung fest, »selbst die Kälte hält sie nicht davon ab.«
Der Sekretär, der dem Minister gegenübersaß, schickte sich schon an, das Wort zu ergreifen, da legte ihm La Fontaine die Hand auf den Arm. Erstaunt schaute der Sekretär den Dichter an, der lächelnd den Finger auf die Lippen legte. In all den Jahren, in denen er mit Frankreichs Oberintendanten der Finanzen verkehrte, hatte er gelernt, zu erkennen, wann man ihn keinesfalls stören durfte. Fouquet gönnte sich nur selten Momente der Ruhe. An erster Stelle standen dabei die Augenblicke,die La Fontaine im Stillen »Die Träume von Vaux« getauft hatte. Schon mehrfach hatte er beobachtet, wie der Mann, in dem er mehr den Freund als den Mäzen sah, mit den Gedanken weit fort war, wenn sie von seinem Wohnsitz in Saint-Mandé nach Vaux unterwegs waren, um sich vom Fortschritt der Bauarbeiten zu überzeugen, spätestens dann, wenn die Karosse langsamer wurde, um von der Allee nach rechts abzubiegen.
Vor dem großen schmiedeeisernen Tor mit dem Wappen des Oberintendanten hielt die Kutsche schließlich an. Ein Lakai öffnete den Kutschenschlag und klappte eilig das Trittbrett aus. Geblendet von der Sonne, blieben die Fahrgäste noch einen Moment sitzen, dann erhob sich Fouquet und stieg mit eingezogenem Kopf aus der Kutsche. Die drei Männer folgten ihm einer nach dem anderen. La Fontaine, der das Schlusslicht bildete, spürte, wie die eisige Kälte ihm ins Gesicht schnitt. Als er sah, dass Fouquet stehen geblieben war, richtete auch er den Blick auf das majestätische Gebäude vor ihnen. Die
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