1661
Jean-François Paul de Gondi, auch bekannt als Kardinal de Retz, erhoben, um seinen Besucher willkommen zu heißen. Ein strahlendes Begrüßungslächeln erhellte sein Gesicht mit den dunklen, stechenden Augen, wie er d’Orbay nun entgegenging. Sich vorzustellen, dass dies der Mann ist, der den König von Frankreich zum Zittern gebracht hatte, Mazarin ins Exil zwang und beinahe die Macht ergriffen hätte, der sprachgewaltige Prediger und Anstifter der größten Revolte des Jahrhunderts, der köngliche Gefangene, dem die Flucht aus dem Schloss von Vincennes gelang, dachte d’Orbay, nicht zu glauben, dass er erst achtundvierzig Jahre alt ist!
De Gondi, der seit dem fehlgeschlagenen Aufstand der Fronde in Rom im Exil lebte, hatte trotz seines unsteten Lebens die stattliche Erscheinung derjenigen behalten, die zu blenden wissen. Der brillante Theologiestudent von einst, der sechs Sprachen beherrschte, hatte durch den Umgang mit den Männern des Glaubens gelernt, sein Verhalten geschmeidig jeder neuen Situation anzupassen, was ihn äußerst verführerischmachte. Die beiden Männer hatten sich kennengelernt, als der Architekt im vergangenen Jahr in Rom gelebt hatte, und danach auch häufig gesehen.
»Wie glücklich ich bin, Euch hier in Rom begrüßen zu können, mein lieber d’Orbay! Wann seid Ihr angekommen? Hattet Ihr eine angenehme Reise? Was gibt es Neues aus unserer Hauptstadt?«
Der Erzbischof drückte François d’Orbays Hände fest in den seinen. Überrascht von dem wortreichen, unerwartet herzlichen Empfang, wusste der Baumeister nicht, welche Frage er zuerst beantworten sollte.
»Ich danke Euch tausendmal, dass Ihr mir heute diese Audienz gewährt, Eure Eminenz. Ich freue mich ebenfalls, Euch wiederzusehen, und vor allem, Euch bei guter Gesundheit anzutreffen.«
»Aber setzt Euch doch bitte«, sagte der Kardinal und deutete auf einen Sessel.
»Eure Eminenz, ich bin gekommen, um Euch wie vereinbart die Skizzen für die Paravents zu zeigen«, sagte der Architekt und reichte de Gondi eine Rolle, die er aus seiner Tasche gezogen hatte.
»Sehr gut, sehr gut«, murmelte de Gondi, während er sorgfältig die Kohlezeichnungen studierte, die seine Lieblingshelden der griechischen Antike darstellten. »Wann können sich Eure Männer, von deren Kunst Ihr mir so vorgeschwärmt habt, an die Arbeit machen? Jetzt, da ich die Entwürfe gesehen habe, kann ich es kaum erwarten, die fertigen Wandschirme hier aufstellen zu können.«
»Ich fühle mich durch Eure Ungeduld sehr geschmeichelt, Eure Eminenz. Ich hoffe, Euren Erwartungen bis zum Sommer entsprechen zu können.«
»Sehr gut, sehr gut … Ich habe gehört, dass es Mazarin sehr schlecht geht«, sagte der Erzbischof, plötzlich das Themawechselnd. »Gibt es wirklich Hoffnung, dass Frankreich demnächst von diesem Schurken befreit wird?«
»Seit einigen Tagen verlässt der Erste Minister jedenfalls nicht mehr sein Schlafgemach, und seinen Sekretär hat er angewiesen, seine Papiere in Ordnung zu bringen. Er …«
»Um zu vertuschen, auf welch schamlose Art und Weise er zu seinem Vermögen gekommen ist!«, unterbrach ihn de Gondi aufbrausend. »Gott sei Lob und Dank, dass ich nun endlich für die Jahre erlittenen Unrechts gerächt werde. Eure Worte bestätigen die Gerüchte, die man mir zugetragen hat; Ihr müsst wissen, dass ich mir zuverlässige Freundschaften bis vor die Türen der königlichen Gemächer bewahrt habe.«
Ich habe gut daran getan, um diese Audienz zu bitten, dachte der Architekt, obwohl er im Exil lebt, hält man für den Mann, der die Frondeure angeführt hat, ganz offensichtlich überall in Paris die Augen und Ohren auf. Bleibt in Erfahrung zu bringen, ob er in der Lage ist, unter den ehemaligen Anhängern der Fronde eine neue Verschwörung anzuzetteln … nicht, dass er uns in die Quere kommt.
»Ich fürchte allerdings, dass es Mazarin einmal mehr gelingen wird, sein Schicksal zu wenden«, fuhr der Erzbischof unterdessen mit besorgter Miene fort. »Dieser Schurke wird seine letzten Kräfte dafür aufbieten, die Staatskassen vollständig zu plündern. Ihr werdet sehen, dass sein ganzes oder zumindest ein Teil seines Vermögens in den Taschen seiner Familie verschwinden wird. Sicherlich ist er schon dabei, die ihn kompromittierenden Papiere zu vernichten.« Er stockte einen Moment, als würde er über einen komplizierten Sachverhalt nachdenken, und wechselte dann erneut das Thema. »Meine Pariser Freunde sind überzeugt, dass auch die
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