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1661

1661

Titel: 1661 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Denis Lépée
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Feinheiten seiner Architektur wurden noch hervorgehoben, wenn man das Schloss durch das massive Eisengitter betrachtete. Die Morgensonne ließ die Skulpturen der Fassade erstrahlen und senkte sich in einem goldenen Schein auf die Gärten, die man durch die großen Fenster hinter dem Schloss ausmachen konnte. Wie schon all die Male zuvor geriet La Fontaine bei diesem Anblick wieder in Verzückung, als er die Details bemerkte, die seit seinem letzten Besuch hinzugekommen waren. War es die Kälte oder seine Ergriffenheit? Jäh lief ihm ein Schauder über den Rücken. Das ins winterliche Licht getauchte Schloss erschien ihm noch schöner als in seiner Erinnerung.
    Das Tänzeln der eilfertigen Diener, die sich fast darum schlugen, ihnen das Gitter zu öffnen, stand in deutlichem Gegensatz zu Fouquets gemächlichem Schritt. Er, der ständig in Eile lebte und alles im Laufschritt erledigte, er, der seine Mitarbeitermit immer neuen Befehlen und Ideen zur Verzweiflung trieb, betrachtete nun alles um sich herum mit einer stillen, heiteren Freude. Fünf Jahre waren vergangen, seit der Finanzminister völlig unerwartet den Entschluss gefasst hatte, an dieser Stelle ein Schloss errichten zu lassen. Fünf Jahre, um die besten Handwerker jeder Zunft, die erfahrensten Gärtner und die talentiertesten Baumeister anzuwerben, darunter den jungen und begabten d’Orbay. Fünf Jahre, in denen Fouquet aufmerksam verfolgt hatte, wie sein Traum sich langsam verwirklichte. Zwar hatte er die Bauarbeiten beaufsichtigt, den Künstlern aber dennoch vollkommen freie Hand gelassen, ihre Ideen in die Tat umzusetzen. Von der Entscheidung, die klassische Bauweise – ein Hauptgebäude und zwei Seitenflügel – aufzugeben, über die Anlage der Gärten bis hin zu der merkwürdigen Kuppel, die erst vor wenigen Wochen über dem Mittelteil des Gebäudes errichtet worden war: Mit jeder Neuerung kam es La Fontaine so vor, als ob Fouquets augenscheinliche Freude gerade in den vielen Überraschungen begründet wäre, die ihm seine Baumeister bereiteten.
    Die Stimme d’Orbays brachte den Oberintendanten in die Wirklichkeit zurück.
    »Wir werden heute das Schloss durch den Haupteingang betreten. Die Säulen können demnächst aufgestellt werden, und dort   … oh!, passt auf, dass Ihr Euch nicht den Knöchel verstaucht   … die Bretter auf dem Boden werden bald verschwinden – sobald der grüne und weiße Marmor, den ich in Italien ausgewählt habe, eingetroffen ist.«
    »Beim letzten Mal waren die doch noch nicht da, oder?«, fragte Fouquet und deutete auf zwei Baracken, die sich zu seiner Linken an das Hauptgebäude schmiegten.
    »Das ist eine provisorische Orangerie«, erklärte d’Orbay. »Die Bäume sind vor kurzem geliefert worden, und sie vertragen die Kälte noch weniger als wir. So sind sie vorerst geschützt,und durch die Fenster bekommen sie ausreichend Licht.«
    »Eine gute Idee«, murmelte Fouquet und hakte sich bei d’Orbay unter. »Bewahren wir dort alle Pflanzen auf?«
    Der Architekt nickte.
    »Nur um sie heranzuziehen, bevor sie ins Freie gepflanzt werden«, erwiderte er mit ruhiger Stimme. »Ich habe mich persönlich davon überzeugt, dass alle Gewächse, die wir bestellt hatten, heil angekommen sind.«
    Sie durchquerten die Empfangshalle und die daran anschließenden prunkvollen Salons und lenkten ihre Schritte dann zu der Freitreppe, die zu den Gärten führte. Fouquet, der neugierig vorausgeeilt war, blieb plötzlich stehen und blickte nach oben.
    »Hat sich hier nicht etwas verändert?«, fragte er.
    »Sicher«, antwortete d’Orbay. »Nach dem letzten Besuch Eurer Exzellenz habe ich den Baumeistern Pläne in die Hand gegeben, welche die Struktur des Gewölbes verändern. Es ist die Kuppel, die Ihr über Euch nur undeutlich erkennen könnt, da das Gerüst sie verbirgt. Nun, in Wirklichkeit ist es eine Art doppelte Kuppel, wird sie doch noch durch eine Laterne bekrönt. Diese Idee ist mir letztes Jahr in Rom gekommen, als ich dort die Bauwerke der großen italienischen Meister studierte.«
    »Darüber möchte ich gern mehr erfahren«, meinte La Fontaine und schaute nun ebenfalls nach oben.
    Die elegante Kuppel, die etwa zehn Meter über dem Boden von vierzehn Statuen gestützt wurde und auf der die zukünftigen Fresken schon mit Kreide vorgemalt waren, sah aus, als schwebte sie in der Luft.

Wohnsitz von Jean-Baptiste Colbert
    Sonntag, 13.   Februar, fünf Uhr nachmittags
    Nach gut zwei Stunden Arbeit am Schreibtisch seufzte

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