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1661

1661

Titel: 1661 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Denis Lépée
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einem nachsichtigen Lächeln, als sich plötzlich sein Gesicht zu einer schmerzhaften Grimasse verzog.
    Zitternd tastete er nach einem Sessel, wo er sich aufstützenkonnte, hob jedoch abwehrend die Hand, als Colbert herbeistürzen wollte.
    »Lasst! Geht besser nach unten. Sind die Kisten aus der Bibliothek endlich angekommen? Ja? Dann haben wir eine wichtigere Arbeit zu erledigen als die, welche diese vier Herren heute hierherführt.« Als er sah, wie widerstrebend sein Vermögensverwalter ihm die Mappe hinhielt, fasste Mazarin ihn am Arm. »Ach, Colbert, hier oben werden wir uns mit ganz gewöhnlichen Angelegenheiten, dem täglichem Einerlei befassen. Unten helft Ihr mir aber bei einer wesentlich schwierigeren Aufgabe, bei der für das Königreich Frankreich weit mehr auf dem Spiel steht.« Der Druck auf den Arm des kleinen, schwarz gekleideten Mannes verstärkte sich. »Ihr habt viel erreicht, Colbert. Ich sollte vielmehr sagen,
zusammen
haben wir viel erreicht, und das wisst Ihr. Nun müssen wir dafür sorgen, dass unsere Taten so auch in die Geschichte eingehen, damit wir sicher sein können, dass nicht irgendein hergelaufener Schurke zunichtemacht, wofür wir gekämpft haben, und so mein Andenken beschmutzt. Die Herausforderung ist viel größer, als Ihr glaubt«, erklärte er mit einem Seufzer der Erschöpfung, der verriet, dass er seinen Sekretär auf diesem Weg nicht mehr lange begleiten würde. »Wir werden all diese Dinge noch genauer besprechen. Ihr müsst für mich mehrere Personen aufsuchen   … Doch vorerst widmet Euch bitte ganz der Aufgabe, Ordnung in meine Finanzen zu bringen. Ich sehne mich nach Ruhe, Colbert, viel Ruhe. Helft mir, sie zu finden, und Ihr werdet es nicht bereuen.«
    Bei diesen Worten lief Colbert ein Schauder über den Rücken. Er verbeugte sich tief.
    Die Überanstrengung stand Mazarin im Gesicht geschrieben, als er sich nun in einen breiten, mit grünem und rotem Samt bezogenen Sessel fallen ließ, in dem seine gebeugte Gestalt vollkommen versank. Er verabschiedete Colbert nochmit einem Wink, dann lehnte er sich zurück und schloss die Augen.
    Kurz darauf erschien ein Minister nach dem anderen und begrüßte den alten Mann übertrieben herzlich; sie erhielten jedoch nur eine kaum vernehmbare Antwort sowie ein knappes Lächeln.
    Zu viert saßen sie schließlich um den runden Tisch. Hugues de Lionne, der als Unterhändler Frankreichs den Pyrenäenfrieden maßgeblich beeinflusst hatte, hatte eine ernste Miene aufgesetzt, während Michel Le Tellier, der Kriegsminister, eine Überlegenheit ausstrahlte, die ihm, wie er meinte, sein hohes Alter verlieh. Nicolas Fouquet schließlich, der Jüngste und Mächtigste von ihnen, konnte sich nur mit Mühe beherrschen, nicht sofort an die Prüfung der Finanzen zu gehen, die ihn mehr als alles andere beschäftigten.
    Ernst blickte Mazarin von einem zum anderen. Es herrschte bedrückende Stille, die keiner seiner Minister zu unterbrechen wagte. Sein stark geschminktes Gesicht konnte seinen Kräfteverfall nicht mehr länger verbergen. Schließlich bedeutete er Le Tellier, das Wort zu ergreifen. Die immer gleiche Besprechung der Depeschen begann.
     
    »England, England! Ihr redet nur noch davon!«
    Es waren gerade einmal zwanzig Minuten vergangen, als Mazarin plötzlich mit erhobener Stimme in die erregte Debatte seiner Minister eingriff, in der es um die Frage ging, welche Haltung Frankreich gegenüber dem neuen englischen Herrscher nach der Wiederherstellung der Monarchie einnehmen sollte.
    »Sorgen wir dafür, dass unsere Schiffe in den Häfen präsent sind. Sichern wir den Absatz unserer Waren und die Grundversorgung der Bevölkerung. Und verhindern wir, dass derHolländer sich am Hof von England einen Vorteil zu verschaffen versucht, indem wir Karl II. in Erinnerung rufen, wer ihn erzogen und ihm Zuflucht gewährt hat, als er aus England flüchten musste. Der Rest ist reine Spekulation und unerheblich. England ist uns von jeher feindlich gesonnen. Der Mann an der Spitze hat gewechselt, na, und wenn schon! Wäre das Pack, das schon den Vater geköpft hat, deshalb etwa weniger bereit, auch dem Sohn den Kopf abzuschlagen? Nein! Beten wir also vor allem darum, dass Englands Beispiel unsere Untertanen nicht auf ähnliche Ideen bringt. So etwas ist wie das Blut, das der Jagdhund einmal geleckt hat, und sei er vorher noch so friedlich gewesen. Wer einmal auf den Geschmack gekommen ist, kann nicht mehr davon lassen. Das Volk,
messieurs,
fürchtet

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