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1661

1661

Titel: 1661 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Denis Lépée
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undurchdringlicher Miene lächelte Mazarin erneut. Dann wandte er sich mit wohlwollendem Blick Le Tellier zu, um dem Ministerrat zu verstehen zu geben, dass er die Ratssitzung vorzeitig zu beenden wünschte.
    »Nun, Herr Kanzler, schreiten die Hochzeitsvorbereitungen für Euren Sohn, Monsieur de Louvois, gut voran? Was mich betrifft, so kann ich mich leider nicht in dem Maße um die Vermählungen meiner Nichten Hortensia und Mariakümmern, wie ich es mir wünschen würde. Meine armen Engel   …«, seufzte er, und Tränen traten ihm in die Augen.
    Mit gefalteten Händen blickte der Erste Minister daraufhin himmelwärts und murmelte einige Worte auf Italienisch. Nachdem er sich bekreuzigt hatte, stemmte er sich mit beiden Armen auf den Sessellehnen mühsam hoch und komplimentierte die Minister hinaus, indem er ihnen versicherte, dass, wenn er seine Ärzte Lügen strafen wolle, er sich nun ausruhen müsse.
    Nachdem die Besucher gegangen waren, blieb Mazarin eine Weile still sitzen und genoss die wiedererlangte Ruhe. Dann läutete er die kleine vergoldete Glocke mit dem Stiel aus Olivenholz, die immer in seiner Nähe war. Kurz darauf vernahm er die Schritte seines Haushofmeisters auf dem knarrenden Parkett.
    »Sagt Colbert, er möge zu mir heraufkommen«, befahl er ihm mit geistesabwesender Miene.
    Während sich der Majordomus diskret entfernte, murmelte der Erste Minister: »Es ist wirklich komisch, dass ich nach all den Jahren mitunter immer noch Mühe habe, Arglist von Rechtschaffenheit zu unterscheiden   … Ihre Gesichter sehen so gleich aus!« Mit einem Seufzer richtete er sich auf. »Schlafmützen, langweilige Hofschranzen   … und er, bei dem ich nie weiß, ob sein Ungestüm   … Nun, mir bleibt keine Zeit mehr für Träumereien und Halbheiten   …«

Theater im Palais-Royal
    Dienstag, 15.   Februar, elf Uhr morgens
    »Mörder! Mörder! Hilfe! Zu Hilfe!«
    Das war Julies Stimme. Gabriel, der gerade das Theater betrat, stürzte in den Gang, aus dem die Schreie kamen. Vor der weinenden jungen Schauspielerin, die vor Entsetzen wie gelähmt war, wehrte sich der alte Concierge verzweifelt gegen zwei Kerle, die auf ihn einschlugen. Zusammengekrümmt am Boden liegend, die Arme schützend über den Kopf gelegt, versuchte der alte Mann den Schlägen seiner Widersacher, so gut er konnte, auszuweichen. Gabriel packte einen der beiden am Kragen, zog ihn hoch und versetzte ihm mit der ganzen Kraft seines jugendlichen Alters einen fürchterlichen Fausthieb mitten ins Gesicht, so dass er unter der Wucht des Schlags zusammensackte und aus der gebrochenen Nase Blut schoss.
    »Hauen wir ab!«, rief unterdessen der andere, rappelte sich blitzschnell auf, riss ein Fenster auf und sprang hinaus ins Freie, gefolgt von Gabriel, der wild entschlossen war, den Schuft nicht entkommen zu lassen. Der junge Schauspieler hatte keine Mühe, unten wieder auf die Beine zu kommen, ging das Fenster doch ebenerdig auf eine der engen Gassen hinaus, die am Theater vorbeiführten. Auf der Straße wimmelte es von Menschen, die zum nahe gelegenen Gemüsemarkt strömten. Mit einem Vorsprung von wenigen Metern schlängelte sich der Mann, der den Concierge angegriffenhatte, zwischen den Handkarren der Händler hindurch, die ihnen wegen des Durcheinanders, das sie anrichteten, lauthals hinterherschimpften. An jeder Ecke fürchtete Gabriel, der Flüchtige könnte in der Menge untertauchen. Nach einer Viertelstunde Verfolgungsjagd durch das Gewirr der engen Pariser Gassen gelangte der junge Mann ans Ufer der Seine und blieb völlig außer Atem stehen. Der Schurke hatte sich eines Kahns bemächtigt, den wahrscheinlich ein Fischhändler, der seinen Fang auf dem Markt verkaufte, dort vertäut hatte, und versuchte nun schnellstens den Fluss zwischen sich und seinen Verfolger zu bringen. Da kein anderes Boot in der Nähe war, musste Molières Sekretär einsehen, dass er verloren hatte. Fest entschlossen, den anderen, den er zu Boden geschlagen hatte, zum Reden zu bringen, kehrte er mit raschen Schritten zum Theater zurück. Das Blut pochte ihm in den Schläfen.
     
    »Gabriel, wo warst du? Ich wäre vor Sorge fast gestorben«, rief Julie, als sie ihn zurückkommen sah.
    »Wo ist die Kanaille?«, stieß der junge Mann aus, der immer noch wütend war, weil ihm dessen Komplize entkommen war.
    »Er ist geflohen, wir konnten ihn nicht festhalten«, erklärte der Concierge. »Danke, Gabriel, Ihr habt mich vor dem sicheren Tod errettet«, fügte er kaum hörbar

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