1662 - Der Engelfresser
dass Johnny seine Arme hochriss und die Hände gegen seine Schläfen presste.
Etwas war mit dem Besucher passiert, der auch noch letzte Worte sagte und eine Erklärung gab.
»Es ist vorbei. Er ist so nah. Er weiß genau, wo ich bin. Er sieht alles. Ich muss weg. Denk an meine Worte. Vergiss nichts davon, gar nichts, Johnny…«
Sagen konnte Johnny nichts. Nur stehen und starren und als Zuschauer die Flucht erleben. Er und seine Eltern sahen, dass sich im Innern der Gestalt etwas tat. Das Flirren dort verstärkte sich um einiges und fiel dann in sich zusammen. Auch die Umrisse lösten sich auf, und einen Moment später war der Flur leer und der geheimnisvolle Gast nur noch Erinnerung…
***
Johnny stand immer noch reglos da. Er starrte ins Leere und musste erst mal verarbeiten, was er erlebt hatte. Es war ein Gruß aus einer anderen Dimension oder einer anderen Zeit gewesen. Aus einer Welt, die er nicht kannte und wahrscheinlich auch nie kennenlernen würde.
Sahen so Engel aus?
Mit seinen Eltern und auch mit John Sinclair war über dieses Thema auch gesprochen worden. Aber mehr am Rande. Mit Engeln hatte Johnny noch keinen direkten Kontakt gehabt. Aber jetzt hatte er den Beweis erhalten, dass es sie gab. Nur hatte dieser Engel nicht seinen Vorstellungen entsprochen, wie er sie sich von diesen Wesen gemacht hatte.
»Johnny…« Die Stimme des Vaters war leise an seine Ohren gedrungen und riss ihn aus seiner Gedankenwelt zurück in die Realität.
»Hörst du mich?« Johnny nickte und drehte sich langsam um. Er sah seinen Vater direkt vor sich stehen. Auch Sheila hielt sich nicht mehr in der Küche auf.
»Ist alles okay bei dir?«
»Ja, Dad, das ist es.«
Bill lächelte leicht verlegen. So wie jemand lächelt, der nicht genau weiß, wie er anfangen soll.
»Deine Mutter und ich haben dich gehört. Also deine Antworten. Du hast mit, der Gestalt eine Unterhaltung führen können. Sie hat dich demnach gehört.«
»Sicher. Wir konnten uns verständigen.«
»Das ist super. Hast du denn behalten, was dir dieser - ahm - Engel gesagt hat?«
»Glaubst du mir nicht?«
»Was soll ich dir nicht glauben?«
»Du hast den Namen Engel so seltsam ausgesprochen.«
»Moment, Moment, keine Sorge, ich glaube dir schon. Für mich war es nur kaum nachvollziehbar, dass sich der Besucher als Engel bezeichnet hat. Nimm es mir nicht übel, aber für mich sehen Engel anders aus. Das habe ich schon erlebt und nicht nur bei Raniel, dem Gerechten.«
»Er ist aber ein Engel, Dad.«
»Wenn du es sagst. Ich will auch nicht daran rütteln. Aber warum hat er uns besucht?«
»Er sucht Hilfe.«
»Ach! Und das bei uns?«
»Ja, er hat uns nicht umsonst ausgesucht. Er möchte, dass ihm geholfen wird.«
»Und warum? Steckt er in einer Klemme? Muss er sich jetzt an normale Menschen wenden?«
»Das sieht so aus. Er sagte mir, dass er verfolgt wird, und zwar von einer mörderischen Höllengestalt. Sogar den Namen hat er mir gesagt. Er nennt sich der Egelfresser. Ja, den Namen habe ich genau verstanden. Engelfresser. Davor wollte er fliehen und sich auch verstecken, aber das hat wohl keinen Sinn. Der Engelfresser ist stärker. Er wird alle Engel vernichten, die sich in einer bestimmten Welt aufhalten.«
»Und dann?«
»Weiß ich nicht genau. Aber ich habe etwas von einer neuen Hölle gehört. Ob das alles stimmt, kann ich dir nicht sagen. Ich hätte gern noch mehr gefragt, aber der Engel musste fliehen.«
»Gut oder auch nicht. Hat er denn seinen Feind gespürt?«
»Das muss er wohl!«
»Aber du hast ihn nicht gesehen oder gespürt - oder?«
Johnny schüttelte den Kopf. »Er wollte ja nichts von mir, sondern von ihm.«
»Das ist auch dein Glück gewesen«, meldete sich Sheila. »Wenn ich daran denke, in welch einer Gefahr wir geschwebt haben. Ein Engelfresser!« Sie schüttelte den Kopf.
»Könnt ihr euch das vorstellen?«
»Johnny ist zum Glück kein Engel. Und wir sind es auch nicht«, beruhigte Bill sein Frau, bevor er wieder zurück in die Küche ging und Johnny ihm folgte. Die Conollys schauten sich an. Sie sahen aus wie ein Trio, das Kriegsrat hielt. Keiner stellte die Frage, was zu tun war. Bill konzentrierte sich auf eine Antwort.
»Wir müssen John benachrichtigen. Oder seid ihr anderer Meinung?«
Sheila schüttelte den Kopf, und auch Johnny tat es. Sie kamen hier nicht weiter. Auch wenn John Sinclair nichts tun konnte, er musste auf jeden Fall informiert werden, denn dieses Ereignis war etwas, was sicher auch ihn
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