1662 - Der Engelfresser
der letztendlich schneller gewesen war als er.
Ich hätte mich bewegen können, sicherlich, doch ich war nicht fähig dazu. Ich konnte mir nicht den Schubs geben, der dafür nötig gewesen wäre. So war ich vorerst zum Zuschauen verdammt.
Matthias blieb weiterhin von diesem unnatürlichen blauen Licht eingehüllt. Es war nicht das eisige Dunkelblau des Luzifer er, dieses Licht war heller. In seiner Tief e schien sich eine gewisse Helligkeit auszubreiten. Sie sorgte dafür, dass die eigentliche Farbe des Luzifer er nicht durchkam.
Er war bei mir.
Aber warum war er gekommen?
Ich machte mir natürlich meine Gedanken, gelangte aber zu keinem Ergebnis. Diese Gestalt hatte gewiss einen besonderen Grund, der allerdings nicht unbedingt mir gelten musste, sondern der Gestalt, die mich aufgesucht hatte. Sie war ein Engel. Ich hatte schon öfter welche erlebt und wusste deshalb, dass sie sich nicht nur in einer Aufmachung präsentierten, sondern in vielen verschiedenen. Sie mussten keine Flügel haben. Sie waren nicht goldig oder putzig. Sie konnten harte Kämpfer sein, eiskalt, gnadenlos, aber es gab auch die andere Seite bei ihnen. Es kam immer darauf an, welche Interessen sie vertraten.
Matthias also. Wir kannten uns. Wir schauten uns an. Ich konzentrierte mich auf seine Augen, weil ich damit schon Böses erlebt hatte. Sein Blick war nicht der eines Menschen. Er war in der Hölle geboren oder ausgeliehen vom absoluten Herrscher des Bösen, von Luzifer.
»Hallo, John Sinclair, Sohn des Lichts. So sieht man sich wieder.«
»Ja, Matthias. Ich habe dich nicht gerufen.«
»Das weiß ich.«
»Und warum bist du hier?«
»Frag doch nicht. Das weißt du selbst. Ich bin hier, weil ich eine Aufgabe zu erfüllen habe. Als Sohn der Finsternis bin ich genau so unterwegs wie du als Sohn des Lichts. Da ist es klar, dass sich unsere Wege irgendwann und irgendwo kreuzen müssen.«
»Seit wann bist du der Sohn der Finsternis?«
Er lachte. »Das kann ich dir sagen. Dem Allergrößten auf der Welt fiel auf, dass es kein Pendant zu dir gibt. Das wollte er ändern. Überall haben wir die Gegensätze. Tag und Nacht. Licht und Schatten. Gut und Böse und so weiter. Nur für dich gab es keinen Gegenpol, und das musste geändert werden. Und es ist geändert worden. Du bist der Sohn des Lichts, ich bin der Sohn der Finsternis. Da haben wir es, und so wird es bleiben.«
Ich musste mich schon beherrschen, um die Ruhe zu bewahren. Ich hatte schon einiges erlebt, aber mit einer derartigen Entwicklung auf der Gegenseite hätte ich niemals gerechnet. Ich wusste, dass dieser Matthias wahnsinnig gefährlich war. Er hatte von Gegensätzen gesprochen. Da lag er auch bei sich selbst richtig. Als Mönch hatte er der anderen Seite gedient, war aber dann gedreht worden und stand nun an der Seite des Urbösen. Luzifer konnte sich auf Matthias voll und ganz verlassen. Er hatte ihn geimpft, der ehemalige Mönch und Agent der Weißen Macht würde nur das tun, was der Hölle diente.
Da ließ er keine Grausamkeit aus.
Und ich hätte meinen Gegenpart. Der Sohn der Finsternis. Zwar nicht unbedingt originell, aber darum ging es auch nicht.
Matthias war unterwegs, um bestimmte Aufgaben zu erfüllen. Er hatte es noch nicht definitiv gesagt, aber er war unterwegs, um Engel zu finden und zu verbrennen. Einer der Gejagten hatte versucht, bei mir Schutz zu finden. Den hätte ich ihm auch gern gegeben, nur hier musste ich einsehen, dass dies kaum möglich war. Was sich Matthias einmal in den Kopf gesetzt hatte, das zog er auch durch.
»Verschwinde!«
Ich wollte die Provokation, denn ich spürte, wie es in mir kochte. Der Engel hatte sich zu mir geflüchtet und ich wollte ihn beschützen. Das war meine Pflicht. Ich hatte mich schon längst entschieden, auch wenn mein Kreuz noch nicht sichtbar war. Auf der anderen Seite glaubte ich auch nicht, dass es einen absoluten Schutz gegen eine Gestalt wie Matthias darstellte. Das war mir schon einige Male vor Augen geführt worden.
Der Engel bewegte sich nicht. Die Angst hatte ihn zur Statue werden lassen. Ich löste mich von meinem Platz und ging einen Schritt auf Matthias zu. Wohl fühlte ich mich dabei nicht und erhielt gleich darauf die Bestätigung. Bisher hatte ich geglaubt, ihn zu kennen. Diesmal sah ich mich getäuscht. Urplötzlich drehte er den Kopf. Genau um einhundertachtzig Grad. Das schaffte kein normaler Mensch, und ich sah, dass er keinen normalen Hinterkopf hatte. Ich starrte in ein Gesicht oder mehr auf
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