1662 - Der Engelfresser
menschliches Gesicht schauen, das auch eine gewisse Sanftmütigkeit abstrahlen konnte. Er lächelte mir zu.
»Was sagst du, John?«
Ich stellte eine provokante Frage. »Bin ich jetzt dran?«
»Aha. Möchtest du es?«
»Das weiß ich selbst nicht. Aber ich kann dir versprechen, dass ich es dir nicht so leicht machen werde.«
Er nickte. »Ich weiß, Sohn des Lichts. Du bist ein harter Gegner. Du hast die Unterstützung einer bestimmten Seite, aber ich bin auch nicht allein. Irgendwann werden wir uns wieder gegenüberstehen, und irgendwann wird es zum endgültigen Kampf kommen. Zuvor allerdings habe ich noch einiges zu tun. Ich muss mein Vorhaben und meine Pläne durchziehen, auch wenn dir das nicht gefallen kann. Aber du wirst mich nicht daran hindern können.«
»Was sind das für Pläne? Willst du Engel jagen?«
»Ja, zum Bespiel. Ich jage Engel. Ich bin der Engelfresser. Aber das ist nicht alles. Ich kümmere mich auch um bestimmte Menschen, die im Moment führerlos sind. Ich weiß genau, dass sie mir gegenüber aufgeschlossen sein werden.«
»Aha. Und von wem sprichst du?«
»Das musst du selbst herausfinden. Ich denke auch an eine neue Hölle, die ich aufbauen kann. Luzifer er hat mir freie Hand gegeben. Er weiß, was er an mir hat.«
»Dann ist dein Besuch hier beendet?«
»Ja, Sohn des Lichts. Das ist er. Wir werden uns sicherlich noch öfter sehen. Ich bin perfekt geworden und in der Lage, meine Macht auszubreiten. Grenzen gibt es für mich nicht…«
Er verneigte sich und dieses Verneigen wurde zu einer spöttischen Verbeugung. Die letzten Sekunden hatten auch mich ziemlich mitgenommen. Ich kam erst jetzt wieder richtig zu mir und dachte auch darüber nach, etwas zu unternehmen. Ich wollte Matthias nicht so ohne Weiteres ziehen lassen.
Aufstehen und dann…
Das klappte nicht so, wie ich es mir vorgestellt hatte. Mein Körper schien viel schwerer geworden zu sein. Das machte sich auch bei meinen Armen bemerkbar. Ich wollte das Kreuz hervorholen, doch ich brachte die Hand einfach nicht so hoch, wie es sein musste.
Matthias stand vor mir. Er schaute sich meine Bemühungen an.
»Noch nicht, John, später. Heute werde ich für dich nur eine Erinnerung sein. Bis dann…«
Er hatte zur mir gesprochen wie zu einem guten Bekannten. Das waren wir wahrhaftig nicht. Ich musste tatenlos zuschauen, wie sich die Gestalt umdrehte, mir den Rücken zuwandte, stehen blieb - und um ihre eigene Achse wirbelte. Matthias breitete seinen Abgang vor. Ich sah vor mir ein wirbelndes Etwas, eingehüllt in ein blaues Licht, das immer dünner wurde, je mehr die Gestalt an Geschwindigkeit gewann. Mein Blick fiel auf eine rotierende Gestalt, die sich auflöste. Sie machte sich auf den Weg in eine Dimension, in der sie sich wohler fühlte, und ich blickte in mein leeres Wohnzimmer. Ich fühlte mich schwach und würde Mühe haben, auf die Beine zu kommen.
Eines stand fest: Ich hatte gegen den Sohn der Finsternis verloren. Und das sah nicht gut für die Zukunft aus…
***
Shao und Suko schauten sich an. Beide kannten sich in der Wohnung ihres Freundes gut aus, aber von einem blauen Licht hatten sie noch nie etwas in der Wohnung gesehen.
Der Inspektor schüttelte den Kopf. »Du kannst sagen, was du willst, aber da stimmt was nicht. Woher kommt das blaue Licht? Hast du eine Erklärung?«
»Nein.«
»Ich auch nicht.«
»Hast du den Zweitschlüssel mitgenommen?«
»Klar.«
»Dann sollten wir reingehen.«
Es war kein Problem, in die Wohnung des Freundes zu gelangen, aber jeder Mensch hat eine Privatsphäre und beide wussten nicht, ob Gefahr im Verzug war oder nicht. Auch Shao war nicht unbedingt dafür. Sie sagte mit leiser Stimme: »Wir könnten schellen.«
»Ja, das ist es.« Suko lächelte. Er zielte bereits nach dem Klingelknopf, als es passierte. Die Hand wurde ihm regelrecht zurückgerissen. Er selbst flog zudem nach hinten und sah, dass auch Shao nicht stehen blieb.
Sie torkelte, fiel zu Boden und rollte bis an die Wand. Suko war auf dem Rücken gelandet. Er bekam den Sturm für einen Moment mit. Etwas jagte über ihn hinweg und er hatte den Eindruck, für die Dauer von ein, zwei Sekunden in seinem Innern zu vereisen. Mehr geschah nicht. Es gab keine Nachwirkungen des Sturms.
Es war gut, dass kein anderer Bewohner durch den Flur ging. Er hätte sich nur gewundert über zwei Menschen, die am Boden lagen und sich nun etwas schwerfällig bewegten.
Sie standen auf.
Sie stützten sich dabei gegenseitig und schauten
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