1662 - Der Engelfresser
sich an. Jeder schüttelte den Kopf und Shao, die sich an der Wand abstützte, fragte: »Hast du eine Erklärung?«
»Nein.«
Sie richtete ihren Finger auf ihren Freund. »Du hast es auch gesehen, nicht wahr?«
»Was soll ich gesehen haben?«
»Das - das Licht. Es ist auch nach außen gedrungen. Und dann dieser Wirbel. Etwas darin. Die Gestalt. Beide sind aus Johns Wohnung gekommen. Da stimmt so einiges nicht.«
Der Meinung war Suko auch. Er wollte so schnell wie möglich hinein, aber nicht schellen, sondern mit dem Zweitschlüssel. Shao blieb dicht hinter ihm, als Suko die Tür aufschloss, sie dann nach innen drückte und mit einem langen Schritt in den Flur trat.
»John…?«
Keine Antwort.
»Das sieht nicht gut aus«, flüsterte Shao. Sie bewegte sich schon auf das Wohnzimmer zu, betrat es - und blieb stehen. »Mein Gott!«, flüsterte sie nur…
***
Ich war groggy. Ich wollte so viel, denn mein Wille war vorhanden, aber ich brachte es nicht in die Reihe. Mein Körper gehorchte den Befehlen des Gehirns nicht. Matthias hatte mich allein gelassen.
Ich sah es nicht, ich ahnte nur, dass sich jemand in meiner Wohnung aufhielt, und konnte nur hoffen, dass der Sohn der Finsternis nicht zurückgekehrt war und mich so hilflos antraf.
Jemand flüsterte, und ich vernahm auch einen erschreckten Laut. Mein Name wurde von einer Frauenstimme gerufen, dann spürte ich den Druck von kräftigen Händen in meinen Achselhöhlen, bevor ich in die Höhe gezogen wurde. Man schleifte mich weg, und kurze Zeit später spürte ich eine weiche Unterlage unter mir und wusste, dass ich in einem meiner Sessel saß. Viel brachte das auch nicht. Ich war noch immer völlig daneben und kam mir vor wie jemand, der nicht wusste, ob er sitzen bleiben oder wegschwimmen sollte.
»Ich hole Wasser.«
Es war Shaos Stimme, und ich war froh, dass ich sie erkannte. Der Weg in die Normalität lag wieder vor mir. Ein Glas wurde mir gegen die Lippen gedrückt und ich fing an zu schlucken. Kalt rann ein schmaler Strom meinem Magen entgegen. Ich trank, ich war froh und leerte das Glas bis zum Grund.
Dann war ich in der Lage, mich wieder normal zu bewegen. Ich winkelte die Arme an und stemmte sie auf die Sessellehnen. In dieser Lage ging es mir besser. Und es klärte sich auch mein Blick, der bisher recht verschwommen gewesen war. Zwei besorgte Gesichter sah ich vor mir.
»Danke, dass ihr gekommen seid«, flüsterte ich.
»Das mussten wir«, sagte Shao. »Dass wir dich hier so finden würden, hätten wir nicht gedacht.«
»Ich vor einer halben Stunde auch nicht.«
»Und was ist passiert?«
»Ich hatte Besuch.«
»Von wem?«
»Langsam, Shao. Ich muss mich erst mal sortieren.«
»Okay, wir haben Zeit.«
Ich kratzte meine Gedanken zusammen. Ich wollte vollständige Sätze bilden und nicht sprechen wie jemand, der einige Gläser zu viel getrunken hatte.
»Es war ein Engel hier. Ja, er hat mich aufgesucht. Aber es war kein normaler Engel. Mehr eine zirkulierende geisterhafte Gestalt.«
»Eingehüllt in ein blaues Licht?«
»Nein, Suko, das kam später. Der Engel hat bei mir Schutz gesucht. Und er ist tatsächlich verfolgt und hier vernichtet worden.«
»Und du bist dabei gewesen?«
»Ich musste.«
Danach legte ich eine Pause ein. Ich wollte, dass Suko und Shao alles erfuhren, aber dazu brauchte ich Kraft, und die musste ich sammeln. Meine Freunde sahen mir an, dass ich eine kleine Pause brauchte. Der Schweiß auf meiner Stirn lag dort zwar noch immer, aber er war abgekühlt, und darüber war ich schon froh. Dann trank ich noch ein Glas Wasser leer, das Shao mir brachte, und spürte, dass die Kraft allmählich in meinen Körper zurückkehrte. Dann redete ich. Shao und Suko hörten mir schweigend zu, bekamen aber große Augen und ab und zu auch eine Gänsehaut.
Bis Shao meinte: »Dann hast du ja Glück, dass wir dich hier lebend gefunden haben.«
»So in etwa. Matthias wollte noch nichts von mir, aber er hat weitere Besuche angedroht.«
»Als Sohn der Finsternis?«
»Genau, Suko.«
Shao verdrehte die Augen. »Dann hat man einen Gegensatz zu dir geschaffen.«
»Das muss ich bestätigen. Einen Gegensatz, den Luzifer er gesegnet hat. Einen Menschen mit zwei Gesichtern. Einen, der überall erscheinen kann und dabei nicht auffällt. Das ist sein Vorteil.«
»Und jetzt jagt er Engel?«
»So habe ich es gehört. Und ich sage euch, dass Matthias nicht geblufft hat.«
Shao und Suko nickten. Sie waren zunächst sprachlos geworden, auch ich
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