1664 - Die Schöne und die Grausame
warnte die Kollegen vor den Insassen des Fahrzeugs. Sie sollten es auf keinen Fall stoppen, wenn sie es fanden, sondern mir über Scotland Yard Bescheid geben.
Danach ging ich zurück ins Wohnzimmer. Dort hockte Tim Helling allein.
»Wo ist Mrs. Prentiss?«
»In der Küche. Dort habe ich einen Gin. Ich brauche jetzt einen Schluck.«
»Der sei Ihnen gegönnt.«
Purdy brachte die Flasche und auch zwei Gläser.
»John, das muss jetzt sein«, sagte sie mit leiser Stimme. Dann lächelte sie ihrem Mitarbeiter zu. »Auf Sie, Tim. Wenn ich das richtig sehe, können Sie heute wieder einen Geburtstag feiern.«
Er hustete. Dann trank er, schüttelte sich und nickte. »Das denke ich auch.«
Beide hatten überlebt, aber damit war dieser Fall noch längst nicht beendet. Er stand erst am Anfang, denn ab jetzt mischte ich mit. Es gab tatsächlich eine neue Vampirin, und die musste gestellt und erledigt werden.
Auf die Spur zu ihr und auch zu ihrer Schwester Elena konnte uns nur Tim Helling bringen.
Er leerte auch noch ein zweites Glas, während Purdy darauf verzichtete. Ich sprach ihn mit leiser Stimme an. Von seiner kleinen Schreibtischecke her hatte ich mir einen Stuhl geholt und saß ihm jetzt schräg gegenüber.
»Sie sind der Joker in diesem Spiel, Mr Helling«, erklärte ich.
»Ja, ich weiß. Ich habe alles falsch gemacht.«
»Nein, nein, so meine ich das nicht. Man kann sagen, dass Sie menschlich reagiert haben. Einigen wir uns darauf.«
»Gut.«
»Sie haben sich also in Elena King verliebt?«
»Das stimmt«, flüsterte er, »aber bestimmt nicht in diese verfluchte Tabea. Ich wusste bis zum heutigen Tag nicht; dass es sie gibt.«
»Wer ist sie denn?«
Tim Helling lachte schief. »Sie werden lachen, Mr Sinclair. Die beiden sind verwandt. Tabea ist Elenas Halbschwester.«
Das war in der Tat eine überraschende Aussage, denn damit hatte ich nicht gerechnet. Purdy Prentiss schien jedoch Bescheid zu wissen.
»Glauben Sie mir nicht?«
Ich winkte ab. »Das hat damit nichts zu tun. Ich bin nur etwas verwundert.«
»Es ist, wie es ist«, erklärte Tim. »Und ich habe nur Mist gebaut. Wie sollte ich auch wissen, dass Elena eine Halbschwester hat, die Menschen Blut aussaugt?«
Da gab ich ihm recht. »Was wissen Sie noch über die beiden Halbschwestern?«
Helling überlegte. Es war ihm anzusehen, dass er angestrengt nachdachte. Seine Antwort brachte uns nicht viel weiter.
»Eigentlich nicht viel.«
Das wollte ich nicht glauben. »Und Ihre Freundin hat keinen Background? Sie muss irgendwo wohnen, sie muss einem Beruf nachgehen. Sie muss ihr Leben führen. Da muss man einfach Spuren hinterlassen. Das wissen Sie doch aus Ihrer Berufspraxis.«
»Ja, Mr Sinclair«, murmelte er. »Das weiß ich. Das sollte ich auch wissen. Aber ich weiß praktisch nichts von Elena. Ich habe nie gedacht, dass das Sprichwort Liebe macht blind zutreffen könnte. Bei mir schon, diese Frau hat alles bei mir weggefegt. Das ist der reine Wahnsinn gewesen. Ich hätte nie gedacht, dass mir so etwas passieren könnte. Aber es ist passiert und ich stehe da wie blöd.«
»Wo wohnt sie denn?«, fragte Purdy.
Sie bekam einen erstaunten Blick zugeworfen. »Das wissen Sie doch, Mrs. Prentiss.«
»Ach, Sie meinen das Wohnmobil?«
»Genau.«
»Interessant.« Purdy winkte ab. »Und wovon ernähren sie sich? Ich meine den Lebensunterhalt und nicht das Trinken von Menschenblut. Ohne Geld ist man in dieser Welt verloren.«
»Das weiß ich auch. Sie leben ja von ihren Einnahmen.«
»Dann sind sie berufstätig?«
»Künstler.«
Wir schauten beide so erstaunt, dass Tim Helling lachen musste. »Die beiden sind Puppenspielerinnen. Sie fahren über Land, haben Termine in Schulen und Kindergärten und zeigen dort ihre Kunst mit ihrem Puppentheater.«
Purdy Prentiss wurde nach dieser Aussage recht blass. Auch ich sah nicht gut aus. Sicherlich verfolgten wir die gleichen Gedanken, die Purdy dann auch aussprach.
»Himmel, dann sind sie immer in der unmittelbaren Nähe von Kindern.«
»Das ist so.« Tim Helling schloss sekundenlang die Augen. »Oh, jetzt weiß ich, was Sie meinen.« Er fing an zu zittern. »Glauben Sie denn, dass diese Tabea auch das Blut von Kindern trinken wird?«
»Sag du es ihm, John.«
Ich übernahm das Wort. »Ja, das glaube ich. Aber ich will es nicht hoffen. Es wäre fatal, wenn sich so etwas bewahrheitet. Für einen Vampir und dessen Tun kann niemand die Hand ins Feuer legen. Er braucht Blut, und zwar das Blut von Menschen.
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