167 - Jagd auf die Teufelin
höchster Stelle. Zumbado las sie alle sorgfältig, ohne eine Miene zu verziehen. „Wie kann es angehen, daß eine Kreatur wie der Santeria-Priester Oyö sich bei hellichtem Tag hier herumtreibt?" fragte der Russe. „Bin ich der Dorfbüttel?" entgegnete Zumbado. „Ich kann nicht auf jeden aufpassen. Tio Oyö hat mir bisher noch keine Veranlassung gegeben, ihn einsperren zu lassen."
„Es verhält sich wohl eher so, daß Sie Angst vor ihm haben, Genosse Zumbado", sagte Kiwibin. „Aber das ändert sich ab sofort alles. Wir werden aufräumen in dieser Gegend und den Spuk beenden. Wir werden die Tumba Satans zerstören, mit allem, was sich darin befindet. Jawohl!"
Kiwibin hatte die letzten Sätze laut gerufen, daß alle auf dem Platz ihn verstehen konnten. Gemurmel und aufgeregte Worte erschollen. Tio Oyö feixte verächtlich und spie aus.
„Das haben andere auch schon versprochen!" rief ein alter Mann. „Eine ganze Abteilung Soldaten hat vergebens versucht, den Terror des Teufels zu beenden. Doch Diablo hat sie vernichtet. Jawohl, Diablo ist nicht tot, er kann niemals sterben. Er wohnt in dem Grab und verbreitet von dort Tod und Entsetzen. Zuletzt hat mein armer Sohn Ramön ein gräßliches Schicksal erlitten, als er sich zur Tumba Satanas wagte. Ramön war auch ein Kind der sogenannten aufgeklärten neuen Zeit. Was hat es ihm genutzt?"
„Willst du wohl den Mund halten, Orlando?" Andere Dorfbewohner stießen ihn an. „Du wirst sonst Unglück über das ganze Dorf bringen - und vielleicht nicht nur über San Jaguey. Wir dürfen den Fremden nicht helfen."
„Jagt sie fort!" gellte Tio 0yö. „Ich, der Mittler der Göttin Oya, der Priester der Santeria, der Vater des geflügelten Dämons und der Beschwörer des krähenden Hahns befehle es euch!"
Er stieß sich von der Mauer ab und stellte sich gerade hin. Ich bedeutete ihm, seine frühere unbequeme Haltung wieder einzunehmen. Das ganze Dorf sollte sehen, daß er machtlos gegen uns war. Weitere Campesinos und Campesinas eilten herbei. Im Dorf summte es wie in einem Bienenstock. San Jaguey hatte vielleicht fünfhundert Einwohner und sie waren allesamt auf den Beinen.
„Willst du wieder einen Tritt haben, Oyö?" fragte ich barsch.
Er stellte sich rasch wieder hin wie zuvor. Ich ging zu dem weißbärtigen Alten hin und legte ihm die Hand auf die Schulter. Sein Gesicht war wie aus Leder gegerbt. Er war ausgemergelt von harter Arbeit und Entbehrungen. Schicksalsschläge hatten ihm sein Leben verdüstert.
Coco stieg aus und stellte sich malerisch vor den Jeep. Nicht zuletzt ihre Schönheit und ihre Reize stimmten die Campesinos freundlicher uns gegenüber. Mehrere Männer machten Coco Komplimente, wie nur Kubaner es konnten.
Einer sagte zu Coco: „Wenn du kochst, wie du aussiehst, würde ich sogar die Gräten essen."
Ein anderer Mann erhob die Augen zum Himmel, faßte sich theatralisch an die Brust und rief: „Caballeros, mir gehen die Augen über! Welch Glanz in unserem bescheidenen Dorf! Die Schönheitskönigin von Havanna ist zu uns gekommen!"
Wegen ihrer pechschwarzen Haare, der sinnlichen, kurvenreichen Figur und den schrägen Augen, die alle Farbschattierungen von einem flirrenden Grün bis zur dunklen Tönung hin annehmen konnten, hielten die Dorfbewohner Coco für eine Tochter ihrer Insel. Coco wiegte sich in den Hüften. Ihre rote Bluse betonte die für ihren schlanken Körper fast zu großen Brüste.
Ich konnte es den San Jagueyern nicht verdenken, daß sie aus dem Häuschen gerieten. Mir war es mit Coco ebenso ergangen, als ich sie kennenlernte. Und mein Blut geriet nach wie vor durch sie in Wallung.
Ich fragte den alten Orlando wegen seines Sohnes und erfuhr, daß Ramön Figueiras, der ihm als einziges von seinen Kindern geblieben war, vier Tage vorher zur Tumba Satanäs gegangen war. „Seitdem habe ich nichts mehr von Ramön gehört", berichtete der Alte traurig. „Ich kann nur hoffen, daß er tot ist. Denn es ist weit schlimmer, als Zombie im Bann Diablos zu stehen und seinen Willen erfüllen zu müssen. Gott sei der Seele meines armen Ramön gnädig! Zwei Ehefrauen habe ich überlebt. Drei meiner Kinder sind schon ganz klein gestorben. Zwei Söhne verdarben in den Kerkern Batistas. Ich weiß nicht einmal, wo sie begraben sind. Eine meiner Töchter starb im Kindbett mitsamt ihrem Säugling. Die andere ist während der Kämpfe der Revolution ums Leben gekommen. Wie habe ich Ramön gewarnt, zu der Tumba Satans zu gehen. Aber er hat nicht auf
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