167 - Jagd auf die Teufelin
muß mich wirklich über deine Gutgläubigkeit wundern, Dorian."
„Was heißt hier Gutgläubigkeit? Beobachtet werden wir sowieso. Du glaubst doch wohl nicht, daß die Schwarze Familie uns aus den Augen verloren hat? Verschiedene Dämonen werden hinter uns her sein, nicht zuletzt weil ich Donato pfählte. Derjenige, der in der Tumba Satanas steckt oder sie für seine Zwecke benutzt, dürfte auch schon Bescheid wissen."
Es gab auch neutrale Dämonen, nämlich solche, die nicht der Schwarzen Familie angeschlossen waren oder die sich nicht um sie scherten. Dem Wüstenghoul in der Sahara, der im Schatten der Wanderdüne Kamelrippen benagte, war Luguri höchst egal. Am Himalaja und in Indien waren welche, für die der Panschem Lama die höchste Autorität darstellte, der Lama des Linken Pfades. Ihn kannte ich bisher nur aus Büchern, was sich aber noch ändern konnte.
Luguri war nicht alles.
In dem Fall, weil man uns unbedingt erledigen wollte, hatte man die Kreatur in der Tumba bestimmt informiert.
„Du schließt von dir auf andere, Kiwibin", sagte auch Coco, die den Russen nun auch duzte. „Deshalb kannst auch keinem trauen."
„Nicht einmal meinem eigenen Hintern traue ich über den Weg", entgegnete Kiwibin. „Eigentlich bin ich nur ein einfacher Bauer, der einmal einen Wijsch überlistete und zur Strecke brachte und den der Genosse Parteikommissar von da an für solche Fälle als Spezialisten ansah. Ich habe mich sehr bemühen und arg anstrengen müssen, um am Leben zu bleiben. Ich habe weder eine besondere Schulbildung, noch bin ich ein hochintelligenter, intellektueller Kopf wie die Spitzenwissenschaftler von Mütterchen Rußland … wollte sagen, der Sozialistischen Sowjetrepublik. Kiwibin, hat man immer zu mir gesagt, entweder du schaffst das, oder du gehst ab nach Sibirien! Und welche Verantwortung ich jetzt tragen und welche Aufgaben ich lösen muß. Oft wußte ich gar nicht, wie das zu bewältigen war. Dabei hat man mich in der Kolchose Rote Erde früher nicht einmal als Maschinisten ausbilden lassen wollen, weil ich dazu angeblich zu dumm war. Jetzt bin ich überall im Ostblock zugange und mache Spitzenfunktionären etwas vor, auch Wissenschaftlern, die mich früher nicht einmal zur Kenntnis genommen hätten. Ich bin mehrfach im Ausland gewesen. Ich bin ein wichtiger, großer Mann geworden, auf meine Weise. Wie das Leben so spielt."
So viel hatte Kiwibin uns noch nie von sich verraten. Jetzt konnte ich manches besser verstehen. Ohne seine Bauernschläue wäre Kiwibin schon längst aufgeschmissen gewesen. Dämonen, Säuberungsaktionen, Intrigen, Kiwibin hatte sich tatsächlich so entwickeln müssen, daß er an einem Fleischerhaken hinunterrutschen konnte, ohne hängenzubleiben, wie ein Cockney-Ausdruck besagte.
Er wischte sich über die Stirn.
„Das steht jetzt aber nicht zur Debatte", sprach er. „Wenn ihr euch mit dem Schwesterchen Oya einlassen wollt, meinetwegen. Aber ich habe jedenfalls gewarnt und ich werde scharf aufpassen." „Das sei dir unbenommen. Wir gehen wieder zu ihr zurück."
Auf unsere Frage, weshalb sie denn in dem Zustand auf der Straße gelegen habe, wollte Oya nicht antworten. Wir fuhren weiter, nachdem wir Gepäck vom Rücksitz umgeschichtet hatten. Ein unasphaltierter Weg Marke Stoßdämpfertöter führte die restlichen Kilometer nach San Jaguey. Dunst hing über dem Hochtal, als wir anfuhren. Häher schrien im Wald.
Um San Jaguey herum waren Felder terrassenförmig angelegt. Bei dem hiesigen Klima gab es zwei Ernten im Jahr auf dem fruchtbaren Boden. Die Zafra stand hoch, und der Tabak wuchs grün und breitblättrig. Wir sahen unrasierte, verschwitzte Männer mit Strohhüten, die die Macheten schwangen, das Zuckerrohr fällten und dazu monoton sangen.
Frauen in Leinenkleidern, mit bunten Kopftüchern, bündelten das zerkleinerte Rohr und luden es auf Esels- und Maultierkarren, um es zur weiteren Verarbeitung zu transportieren. Ein einziger Traktor, ein wahres Ungetüm, brummte im Hintergrund. Hier arbeitete man noch wie vor hundert, zweihundert Jahren, von dem Traktor abgesehen.
In San Jaguey war die Zeit stehengeblieben, glaubten wir zunächst. Die Macheteros und die Frauen beachteten uns kaum. Wir fuhren ins Dorf mit den mit Palmstroh oder Wellblech gedeckten Hütten. Hühner und Schweine liefen auf der Straße herum.
Nur wenige Alte und Kinder waren zu sehen. Die anderen waren in der Zafra, im Zuckerrohr, oder mußten die Tabakfelder bewässern und vom Unkraut und
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